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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
34. Heft.1954
Seite: 72
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1954/0072
Die Medizin aller Völker, also auch die der antiken, hat ihre
Wurzeln in der ursprünglichen Auffassung der Menschen, die Krankheiten
der Menschen sowohl wie der Tiere seien auf natürliche, in
ihrer Konstitution begründete Ursachen zurückzuführen und konsequenterweise
auch mit von der Natur gebotenen Mitteln zu heilen.
Diese Lehre baute ihre Schlüsse auf Beobachtung und Erfahrung auf.
Waren die natürlichen Hilfsmittel primitiv, so beruhte ihre Anwendung
auf vernunftgemäßer Grundlage, ist also unbedingt als
,,gesund" anzuerkennen. Eine der Erfahrungen ist die von der heilenden
Wirkung der Wärme zunächst der Flamme bei Erkältungskrankheiten
, die dann auch in der stetigeren Form der Bettwärme mit
ihren Steigerungen zur Erzeugung des Schweißausbruches schon
früh unter gleichzeitiger Anwendung bestimmter Kräuterabsude genutzt
wurde. Von der totalen Erwärmung zur örtlichen und von der
trockenen zur feuchten Erwärmung sind nur Schritte.

Die ersten sicheren Nachrichten über die Medizin unserer Vorfahren
, der Germanen, datieren aus der Zeit, in der sie mit den
Römern in Verbindung traten. Da die germanische Kultur sehr alt
ist, muß ihre Medizin nach Wesen und Entwicklung als spezifisch
germanisch gewertet werden, auch dann noch, als die Vorstellung
von übernatürlichen Einflüssen durch Götter und Dämonen den gesunden
empirischen Kern zu überwuchern begann. Die Verbindung
animistischer-primitiv religiöser Anschauungen, die aus der Belebung
von Dingen Wirkungen ableitet, mit dem ursprünglich auf
rein verstandesmäßig erarbeiteten Erfahrungselement muß auch im
Hinblick auf ihre volksgesundheitliche Auswirkung als entschiedener
Rückschritt bezeichnet werden. Auf dieser—nur scheinbar tieferen—
Stufe standen die Germanen um die Zeit nach Christi Geburt. Die
Versuche, die Krankheit jetzt aus der Einwirkung überirdischer und
zwar ausgesprochen menschheitsfeindlicher Mächte zu erklären, ist
jedoch — in unserem Sinne, dem des rein sachlich urteilenden
Historikers — entschuldbar aus dem Mangel an physiologischen
und pathologischen Kenntnissen und der daraus resultierenden vielfach
fehlerhaften Diagnose, und wir begreifen wenigstens zum Teil
die Versuche, nächtliche Brustbeklemmungen durch Magen- und
Darmüberfüllung, die durch das Verzehren besonders reicher Jagd-
und Kampfbeute entstand, durch Einwirkung von Dämonen — der
„Alpe" — Stechen in der Brust als ,,Alpstich", akutes Muskelrheuma
als „Hexenschuß" zu erklären, die ,,Mumps" genannte, manchmal
epidemisch auftretende Anschwellung der Ohrspeicheldrüse und die
Fingerentzündung auf dämonische Würmer, des „Ohrwurms" bzw.

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