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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
37. Heft.1957
Seite: 17
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1957/0019
Die Kapelle wurde wie die Stollhofner „Basilika", eine gotische
Zyriakskirche, ein Opfer des Dreißigjährigen Krieges, ebenso das
Ulmer Margarethenkirchlein und die Grefferner Johann- und Paulkapelle
, die 1366 in einem Vertrag mit dem Schwarzacher Leut-
priester zum erstenmal genannt wird.27)

Nicht nur eine gotische Spur, sondern ein gotisches Kunstwerk besaß bis vor
zwei Dezenien das Kirchlein zu Leiberstung. Zwar hatte der Ort bis 1713 nur eine
hölzerne Kapelle, aber gerade diese barg eine Wendelinusplastik, etwa um 1570 in
Ulmenholz geschnitzt. In jugendlicher Kraftfülle ist der königliche Einsiedler aus
den schottischen Bergen dargestellt, mit vollem Gesicht, hoher, freier Stirne, weit
geöffneten und fragenden Augen, kleinem, geschlossenem Mund und kurz geschnittenem
Haar. Der lange Pilgerrock reicht bis zum Boden und fließt ungegürtet in
vielen flachen Furchen, wie seitwärts gestautes Wasser, am vorgestellten Knie und
Fuß vorüber; der nur rechts sichtbare Mantel legt sich eng an die hohe Gestalt;
eine kragenartige Kapuze und lange Hängeärmel vervollständigen die Gewandung.
Uber den Schultern liegt ein Schaf mit voller, gelockter Wolle, die Vorderbeine
übereinander gelegt. Um das rechte Bein des Einsiedlers schmiegt sich eine Kuh,
schön gehörnt und mit gutmütigen Augen. Am Boden links liegt die Abtsmitra, die
Wendelinus abgelegt hat mitsamt seiner Macht und Würde. Eine köstliche S-Linis
in der ganzen Gruppe verrät von der Mystik der späteren Gotik. Die Plastik war
durch mehrfaches Ubermalen verunstaltet, und besonders der letzte Anstrich hatte
die letzten Spuren des Kunstwertes vernichtet. So wurde 1926 das Bild an einen
Zwischenhändler für 45 Mark verkauft. Ein großer Kunstkenner erwarb es, ließ
es reinigen und wiederherstellen und machte es zum Prachtstück der Hamburger
Privatsammlung Arinus.

Vom ehemaligen mittelalterlichen Kirchlein zu Oos kam der gotische St. Dionysaltar
in die Vimbucher Friedhofskapelle. Die Rückwand des an Maßwerkschnitzereien
reichen Altarschreines ist signiert mit „Niclaus v. Hagnow 1506 jor".
Im Vergleich zum stärksten Menschentum der beiden Prophetenbüsten dieses Meisters
für den ehemaligen Straßburger Münsterfrontaltar werden die Plastiken des
einstigen Ooser Altares „Werkstattarbeiten" genannt28). St. Dionys, die Mittelfigur,
blieb in Oos; die beiden Außenfiguren, St. Bartholomäus und Judas Thaddäus, kamen
nach Vimbuch. Eine kurze Würdigung ist auch hier am Platze.

Bartholomäus trägt sein Attribut, das Schindermesser. Er selber ist dargestellt
als alter Mann mit eingesunkenem Nacken und langem, seitwärtsfließendem Bart.
Sein Blick ist in ein Buch vertieft, das er nach Art der Weitsichtigen von sich
hält. Die Augenbrauen sind wulstig, die Nase hat die Kerben des Alters, die
langen schmalen Finger und der gefurchte Handrücken sind aszetisch. Das lange
Unterkleid ist tief und streng gegürtet; der Mantel fällt auf der Linken in einer fast
ungegliederten Geraden herab; dagegen überfließt die rechte Mantelseite die ganze
vordere Gestalt in einem neunfachen Wellengang, indem sie an Arm, Knie und
Fuß aufwallt und vorher und nachher in die Schatten dunkler Löcher kriecht. Auf
dem Kopf trägt der Greis einen breitrandigen, tiefeingekehlten Pilgerhut.

Die zweite Figur hat wie am Kölner Dreikönigsschrein das Beil als Attribut des
Apostels Judas Thaddäus. Er ist dargestellt als Mann in der Vollkraft der Jahre;
seine Haltung ist sicher und sein Haupt aufrecht mit einem scharfen Blick in die
Feme. Haupt- und Barthaare sind üppig und gelockt, Finger und Handrücken kräftiq
und schwere Arbeit gewohnt. Knie und Fuß der rechten Seite sind bereit zu einem
kräftigen Schritt; der linke Fuß ist zum Abstoß rückwärts gesetzt. Der Rock reicht

!7) Gallus Wagner, Chron. Schwarz. I.

se) E. Lacroix, Die Kunstdenkmäler Badens, B. 11.

2 Die Ortenau

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