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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
37. Heft.1957
Seite: 38
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War die deutsche Gewandung, bislang von fremdländischen Einflüssen nicht
freigeblieben, doch im Grunde eigenen Gesetzen gefolgt, so ist seit etwa der Mitte
des XVI. Jahrhunderts zunehmende Tendenz zur Abweichung vom ehrbar Behäbigen
zugunsten zwar noch deutschen Wesens, aber solchen fremder Eleganz
festzustellen. Dieses spezifisch deutsche Charakteristikum ging völlig unter in der
jegliche Lebensfreude verneinenden spanischen Mode um 1600: das Wams
wird eng, fest zugeknöpft, die Schöße schrumpfen zu kurzer spitzer Taille. Die
Hose verkürzt sich bis auf die Oberschenkel, entsprechend verlängert sich der
Strumpf. Die Schultern verdeckt ein Mäntelchen. Auch die Taille der Frau endigt
in spitze Form aus, der Rock — ohne Schleppe — ist eine gesteifte, glatte Glocke,
die Vorläuferin des Reifrockes. Bei beiden Geschlechtern verbreitet sich der Halsbund
des Hemdes zur Krause, die rasch zu großer Breite auswächst. Die Frisur
der Frau ist zwei Handbreiten hoch aufgetürmt, der Mann hat das kleine Barett
durch einen niederen Seidenhut ersetzt. Die „züchtige Geschlossenheit" der Frauenkleidung
wird noch besonders hervorgehoben durch reichen Kettenschmuck.

Der französische Hof fand großen Gefallen an der spanischen Mode
und übertrieb ihre Besonderheiten so stark, daß sich um die Hüfte des Mannes
ein Wulst zog und das Ende des Wamses zum „Gänsebauch" anschwoll. Der
Frauenrock, gleich dem spanischen gestreift, wurde in bauschige Falten gelegt,
und tief herunter wurde die zum Schnabel geformte Taille gesenkt. Die französische
Mode blieb jetzt lange führend. Unter Louis XIV. verbreitete sich die
Allongeperücke, die der Visage der Männer erwünschten Ausdruck bedeutender
Geistigkeit verleihen sollte. Der steife Glockenrock der Frau wurde teilweise
überdeckt von einem über den Rücken wallenden, langschleppenden Mantel.

Um die Mitte des XVII. Jahrhunderts ging von Holland ein Zug bürgerlich
vornehmer Schlichtheit aus, die an die Stelle der spanischen Krause den
natürlicher wirkenden Spitzenkragen setzte. Die Spitze erlangte zeitweise solche
Bedeutung, daß man selbst die tief läppenden Umschläge der Reitstiefel mit
ihrem duftigen Gewebe auslegte.

Die deutschen Fürstenhöfe folgten diesen Sprüngen der Mode begeistert; das
Bürgertum, einigermaßen durch die Kleiderordnungen in der Entfaltung von
allzu großem Luxus zurückgehalten, bewahrte bei aller Freude an modischen
Neuerungen auch während der Verstiegenheiten der spanischen und der französischen
Mode doch die Grundlinien deutschen Wesens.

Bis zum Auftreten des Rokoko war die Allongeperücke verschwunden, es
blieb nur der Haarbeutel der natürlichen Frisur. Sein Nachfolger war der Zopf.
Der Reifrock entwickelte sich zur Halbkugel und drang — es ist kaum zu
glauben! — selbst in das deutsche Bauernhaus ein, wo seinen Dimensionen freilich
recht nüchterne Grenzen entgegenwirkten. Um die Mitte des XVIII. Jahrhunderts
erreichte der Reifrock seine höchste „Vollkommenheit" auch in seinen
Raummaßen: die des Ellipsoides, dessen große Achse nach den Seiten ging. (Ihr
Lächeln, meine Herren, gilt wohl meiner nicht gerade sachgemäßen, der Stereometrie
entlehnten Ausdrucksweise, aber zur Verdeutlichung dieser Ungeheuerlichkeit
stand mir, da ich kein „tailleur des dames" bin, keine andere Bezeichnung

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