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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
37. Heft.1957
Seite: 94
(PDF, 59 MB)
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gniigen als mit seiner Garde in dem weltfremden Orte „zu exerzieren, zu trommeln
und zu chargieren" und vergaß darüber seine zu Buchsweiler harrende Gemahlin
. Und Karoline verließ die hanauische Residenz nur, wenn sie ihren
Gemahl in Pirmasens auf Wochen, ja Monate besuchen mußte oder ihre Mutter
in Bergzabern besuchen durfte. Nach der Prenzlauer Zeit 1750/57 begann
für das fürstliche Paar eine dauernde Trennung. Die Erbprinzessin behielt ihren
Aufenthalt in dem geliebten Buchsweiler und suchte den Mangel an höfischer
Pracht, welchen sie ohnedies nicht liebte, durch Genüsse des Geistes und in der
Sorge um die Familie zu ersetzen. Ein zärtlicher Vater ist Ludwig nie gewesen;
Frau und Kinder sollten auch erst nach den Grenadieren kommen. Im Kreise
ihrer blühenden Jugend — drei Prinzen und fünf Prinzessinnen — vergaß sie,
was sie an der Seite dieses schrullenhaften Sonderlings alles entbehrte. Wenn die
Töchter sich später gut verheiratet sahen, so war es das Verdienst der Mutter18).

Das einseitig auf militärisches Treiben eingestellte Leben der Soldatenstadt
Pirmasens vermochte natürlich die geistreiche Frau in keiner Weise zu befriedigen.
Die tägliche Umgebung des Erbprinzen, seine Generäle, konnten auf sie nur abstoßend
wirken. Zwar stellten dieselben in militärischen Dingen ihren Mann,
doch vor literarischen Erscheinungen glänzten sie in Unwissenheit. Nach dem 1768
erfolgten Tode des Schwiegervaters siedelte Karoline nach dem vornehmen
Darmstadt über; Ludwig konnte sich dazu nicht entschließen. Durch Sparmaßnahmen
in der Landesregierung wie der Hofhaltung, welche der neue Landgraf
mit Rücksicht auf die zerrütteten Finanzverhältnisse Hessen-Darmstadts anzuordnen
für gut fand, wurde die Lage der Landgräfin in der hessischen Residenz
ungemein erschwert. In Darmstadt fand die Begegnung mit Goethe statt; außer
ihm bildeten Herder, Wieland, Gleim, Sophie la Roche und der Kriegsrat Joh.
Heinrich Merck den Mittelpunkt ihres Gesellschaftskreises. Am 30. März 1774
segnete Landgräfin Karoline das Zeitliche. Friedrich II. von Preußen ließ auf
ihrem Grabhügel im Schloßgarten eine Urne setzen mit der Inschrift: „Femina
sexu ingenio vir" (Von Geschlecht ein Weib, an Geist ein Mann). Große Verehrung
bezeugte auch Goethe dieser seltenen Frau und hat ihr unter dem rühmlichen
Beinamen „Die große Landgräfin" zur Unsterblichkeit verholfen.

Landgraf Ludwig IX. erlag 70jährig am 6. April 1790 einem Schlagfluß und
wurde wunschgemäß in der Garnisonskirche am 9. mit viel Ehr unter großem
Leid beigesetzt. Geschlossen trat die Garnison bei der Leichenparade zum letzten
Male an. Die Stadt Pirmasens gedenkt ihres Gründers mit steter Dankbarkeit und
hält sein Gedächtnis wach. Wir Hanauer können uns indessen nur mit Bedauern
der „Hessenzeit" erinnern. Denn die Reichsämter Lichtenau und Willstätt hat
Landgraf Ludwig IX. seit der Jugendzeit nicht mehr betreten, was eine skrupellose
Beamtenschaft sich sehr zunutze machte. Wahrlich, Pirmasens ist uns teuer
zu stehen gekommen! Unter Verkennung der guten Eigenschaften Ludwigs, seiner

16) Prinzessin Karolinc mit dem Landgrafen von Homburg, Friederike mit dem Kronprinzen Friedrich
Wilhelm von Preußen (einem Wüstling), Wilhelmine mit Zar Paul I. von Rußland, Amalie mit dem
Erbprinzen Karl Ludwig von Baden-Durladi (Napoleon: Der einzige Mann am Karlsruher Hofe!), Luise
mit dem Herzog Karl August von Sachsen-Weimar (die Prinzessin in „Tasso").

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