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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
39. Heft.1959
Seite: 83
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Kessel siedenden Wassers und hält es im Kochen. Die leeren Ställe säubert ihr
sorgfältig, der Küster wird sie dann ausräuchern. Nun ordnet den Zug nach dem
Köpfel; die Männer voran, dann die Kinder, hinter mir die Frauen!" In feierlichem
Ornat trat der Priester, die beiden Meßbuben mit Weihekessel und Wedel
zur Seite, ein und stimmte einen Psalm an, in den die Kinder einfielen.

Auf einem Felsbrocken, in das düstere Kleid des Bären gehüllt, erwartete die
Lohe die Gemeine. Grimm verzog ihr den Mund, als sie die Ordnung des Zuges
ersah und den Psalm hörte. In Scheu vor dem strengen Ruch des Bärenfelles hatte
sich die Herde von der Hirtin abgedrängt und stand, des Fressens unlustig, mit
gesenkten Stirnen. Tiefziehendes, schwarzes Gewölk schieierte die Sonne, drük-
kende Schwüle trieb den Menschen den Schweiß aus. Worauf wartete die Lohe?
Konnte nicht in jedem Augenblick das dräuende Wetter losbrechen aus dem
murrenden Grollen, das näher und näher kam? Mit loderndem Blick maß die
Lohe den Priester, da er den Wedel in den Kessel tauchte und unter Segensworten
die kranke Herde netzte. Schon aber fuhr der erste Blitz durch die Lüfte, und im
rollenden Donner warf die Lohe die geballten Fäuste hoch, gellend schrie sie in
das ausgebrochene Toben: „Dein trümmernder Torshammer, Donar, treffe weihes
Wasser wie weihende Hand, auf daß verwehe werbendes Wort wider Wotan und
Walhall!" Also schrillte Löhes Ruf durch die heulenden Winde. Und Donar
warf — aber sein Hammer fehlte das Ziel, er traf den Stein, darauf Lohe stand . . .
In Grauen strebte die Gemeine den schützenden Hütten zu, brüllend verlangte
die Herde nach der Hirtin Ruf, doch die stand starr und stumm, erloschenen
Auges. Der Priester griff aus des einen Meßbuben Hand ein duftendes Kraut und
hielt es der Leitkuh vor. Willig folgte sie ihm, mit ihr die Herde.

Im Zinken angekommen, entledigte sich der Priester der heiligen Gewänder und
wies den Küster an, mit dem vom Aldermann bereitgestellten siedenden Wasser
eine sorgfältig zugemessene Menge des dem Maultier aufgepackt gewesenen Heilkrautes
zu überbrühen. Der ausgekühlte Sud wurde der kranken Kuh vorgesetzt.
Gierig nahm sie den würzigen Trank und legte sich darauf in die reichlich aufgeschüttete
Streu. Von Stall zu Stall ging der heilkundige Gottesmann, jedem der
erkrankten Tiere nach dem Grade des Befalles das Maß zuweisend. „Genau bei
Sonnenuntergang, nicht früher, steckt ihr jedem der Tiere eine mäßige Gabe Futter,
halb Gras, halb Heu, auf. Die fressen, dürften durchkommen und erhalten bis zum
achten Tag in der Frühe den Trank, am Mittag und am Abend langsam vermehrte
Futtergaben. Was gesund ist, sondert ihr der Wochen vier streng von der Krankheit
ab, auch wenn Regen einfallen sollte, wie es den Anschein hat." Schon brachen
der Wolken Schleusen und überzogen Höhe und Tal mit überaus heftiger Flut,
welche die Nacht und zwei Tage durch anhielt.

Wo war die Lohe? Da die Sonne wieder durch das Gewölk kam, traf ihr Strahl
auf steinernen Bildes Starre. Und es steht seit tausend Jahren, Gras und Kraut
sind fortgerissen von jenes Regens Wucht, steinerne Herde ist aus dem Grunde
gewachsen, Strupp und Strauch umwuchern sie.

Wer von den Einwohnern des Hochtales weiß heute noch, warum jene Bergkuppe
das „L ö h 1 e Köpfel" geheißen ist?

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