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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
39. Heft.1959
Seite: 236
(PDF, 62 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1959/0238
Das Siebdrehen

Das Siebdrehen wurde besonders von den Brauchern, Besprechern, Schwarzkünstlern
und Segensprechern geübt, wie Grimmelshausen im „wunderbaren
Vogelnest" und im „Simplizissimus" erwähnt. Die Ausführung des Siebdrehens
war nicht einheitlich. Man steckte eine offene Schere in ein Sieb, je eine Person
hielt mit dem Zeigefinger ein Ohr der Schere mit den Worten: St. Petrus und
St. Paulus gehen über Land, sie lügen nit, sie betrügen nit, geben kein falsches
Zeugnis, sie sagen mir die "Wahrheit, ob Anna Wassermännin das Garn gestohlen
hat. Doch die Wassermännin berief sich auf Barbara Wormber, die gestand, das
Sieb bei der ganzen Nachbarschaft probiert zu haben, bei allen Personen sei es
stehen geblieben, als sie aber zur Butzin kam, sei es gelaufen, also sei diese die
Diebin. Auf die Frage, ob sie glaube, daß diese Kunst den Täter offenbare, antwortete
die Frau, sie glaube, daß man durch Siebdrehen einen Diebstahl offenbaren
könne, sie begründete es mit einem Vorkommnis in Speyer. Die Wormber
habe, als dem Dechanten Tuch gestohlen war, die Diebin, die Baumännin, durch
das Sieb gestellt, außerdem habe ihr ein Knecht durch Siebdrehen einen gestohlenen
Kessel wieder verschafft. Sie glaube wohl, daß man Gott damit beleidige,
allein sie hätte solches aus Armut getan. Zudem habe ihre Schwester, als man sie
des Diebstahls von 10 Gulden beim Pfarrer bezichtigte, das Sieb gedreht, es sei
auf den Schulmeister herausgekommen, der das Geld restituierte. Der Mann der
Wormber, Soldat in einem thüringischen Regiment, mußte den Offizieren oft das
Sieb drehen, auch der alte Wormber hat das Siebdrehen geübt. Dem französischen
Kommandanten waren silberne Löffel gestohlen worden; da der Diener eines
Herrn Keller verdächtigt wurde, ließ dieser das Sieb drehen, als Dieb wurde
einer der Leute des Kommandanten erwiesen. Anna Barbara, Witwe eines
thüringischen Musketiers, gestand, anläßlich eines Diebstahls auf Bitten der Frau
Schultheiß das Sieb gedreht zu haben. Da aber das Sieb auf die beiden verdächtigten
Mägde nicht habe laufen wollen, habe sie gefragt, auf wen sie weiter
raten solle. Auf der Schultheißin angegebenen Bruder, der in der Stube zugegen
war, sei das Sieb sogleich gelaufen, worüber der Mensch verblichen sei und die
Tat gestanden habe.

Das sind einige Beispiele des Siebdrehens, das geübt und an das geglaubt
wurde. Wie war das möglich? Nun, die Verdächtigen standen gespannt im Kreise,
der Siebdreher ging unter allerlei Manipulationen und Zaubersprüchen von einem
zum andern; sollte sich da nicht die Unruhe des Diebes mit seinem schlechten
Gewissen und seiner Angst auf das Sieb übertragen haben, zumal dem gewiegten
Siebdreher die Unruhe des Diebes nicht entgangen sein dürfte. Dazu kam die allgemeine
Anschauung und der Aberglaube der damaligen Zeit (1700), wovon auch
studierte Leute nicht frei waren.

Dr. A. Staedcle


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