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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
42. Jahresband.1962
Seite: 26
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Diskurse höherer Art, wie er sie im Lieblingsbuch seiner Selbstbildung, dem „Allgemeinen
Schawplatz" des Thomas Garzoni, zu finden gewohnt war: er griff
abermals zur Feder und entwickelte sich aus dem berufsmäßigen Schreiber zum
fabulierenden Schriftsteller. Wenn der Kern des Simplicissimus-Romans in der
eigenen Entwicklungsgeschichte und in erlebten Kriegsschicksalen bestand, so mag
die erste Gestalt bereits damals zu Papier gebracht worden sein. Es kamen wahrscheinlich
sogar noch frühere Aufzeichnungen zur Verwertung, denn im „Beschluß"
seines Romans bekennt der Dichter, daß er ihn „in seiner Jugend zum theil geschrieben
, als er noch ein Mußqvetirer gewesen".

Als das umgearbeitete Werk nach Jahren im Druck erschien, wurde das Nachwort
aus „Rheinnec" datiert, und der Verfasser bezeichnete sich als „P. zu Cernhein
". Rheinnec und Cernhein sind ebenso wie das andernorts gebrauchte Hereinen
Anagramme von „Renichen", und P. bedeutet Praetor. Grimmelshausen war inzwischen
(1667) bischöflich Straßburgischer Schultheiß des am Ausgang des Rench-
tals gelegenen Fleckens Renchen geworden. So vielseitig die Aufgaben dieses Amtes
auch gewesen sind, so viel Freiheit muß es doch einer fleißigen Feder zur Fortsetzung
des literarischen Schaffens gelassen haben. Das hörte erst auf, als aufs neue
die Kriegsfurie losbrach und im Sommer 1675 die Franzosen über den Rhein
kamen. Das rechtsrheinische Land wurde zwar wieder frei, aber eine Wiederholung
des französischen Einfalls drohte im folgenden Jahr. Damals erteilte der kaiserliche
Oberbefehlshaber von Freiburg aus den Befehl an die Bewohner der Gegend
von Euenheim, sich „zu gewöhr zu stellen", und es hat den Anschein, als ob der
Schultheiß von Renchen diesem Mobilmachungsbefehl des Landsturms auch persönlich
Folge leistete. Wenigstens macht der Renchener Pfarrer, der seinen am
17. August 1676 erfolgten Tod ins Kirchenbuch einträgt, in zweifelhaftem Latein
Andeutungen von einem Kriegsdienst. Aber nicht auf dem Schlachtfeld, sondern in
seinem Amtssitz hat der Tod den alten Kämpfer ereilt, und da er in den Vorreden
vorausgehender Schriften (1671/72) über seinen Gesundheitszustand klagte, darf
man sogar annehmen, daß er einem längeren Leiden erlag. Daß auch der Lorbeer
literarischen Ruhms auf seinem Sarg nicht ganz fehlte, ist aus den Worten des
Kirchenbuches zu entnehmen: „Honestus et magno ingenio et eruditione."

Soweit die Aussagen der Urkunden. Inwiefern nun dieses in seinem späteren
Teil so wenig aufregende Dichterleben im Anfang wirklich romanhafte Züge hatte,
muß aus den autobiographischen Bekenntnissen erschlossen werden, mit denen die
große Lücke zwischen Kindheit und Manneszeit sich ausfüllen läßt.

Am unmittelbarsten hat Grimmelshausen zwischen den Bauernpraktiken und
Lebensregeln seines „Ewigwährenden Kalenders" (1670) Selbsterlebtes in anekdotischer
Form einfließen lassen. Das schon früher mit besonderer Liebe angekündigte
Kalenderwerk war ursprünglich dazu bestimmt, einer Neuausgabe des
Hauptromans beigegeben zu werden als Vermächtnis, das der alte Simplicius seinem
Sohn hinterlassen habe. Gelesenes, Geschautes, Gehörtes ist hier als Dichtung
und Wahrheit zusammengerührt, und die Grenzen zwischen Romanhelden und
Autor verwischen sich. Wenn zum Datum des 25. Februar im Ichton erzählt wird:

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