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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
42. Jahresband.1962
Seite: 28
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Pariser Venusberg und die Rückkehr als landfahrender Storger undTheriakskrämer,
sind auf Roman-, Novellen- und Schwankmotive zurückzuführen. Die scheinbar
echtesten Schilderungen von Zeitereignissen können als nicht selbsterlebt gestrichen
werden, wenn sie, wie die Darstellung der Schlacht bei Wittstock, sich dem Geschichtswerk
„Theatrum Europaeum" verpflichtet zeigen. Ein weiterer Gesichtspunkt
der Ausscheidung betrifft alle die Partien, die kompositioneil bedingt sind
und sich in dieser Zweckmäßigkeit als künstlerische Erfindung erweisen. Dazu
gehören lehrhafte Ermahnungen und Prophezeiungen, die in der Folge zur Erfüllung
kommen, und symbolisch typisierte Gestalten wie die beiden Gefährten
Olivier und Herzbruder, in denen böses und gutes Prinzip gegensätzlich verkörpert
sind. Ferner werden, wenn wir nur nach der Erlebnisechtheit fragen, alle die Partien
verdächtig, in denen die Chronologie der geschichtlichen Ereignisse verschoben
ist oder nur eine lockere Verbindung hergestellt wird. Das ist der Fall bei dem
vom Dichter selbst ironisierten Behelf des Hexenflugs, der von der Hersfelder
Gegend mit einem Schlag ins Erzstift Magdeburg versetzt, ebenso bei dem gleich
plötzlichen Übergang von der Schlacht bei Wittstock zum westfälischen Quartier.
Wenn auch für die Echtheit der dazwischenliegenden Magdeburger Belagerungsdarstellung
geltend gemacht werden kann, daß Züge beobachtet sind, die aus den
landläufigen Geschichtsquellen nicht zu entnehmen waren, so stand doch auch die
mündliche Überlieferung von Feldzugskameraden zur Verfügung, um die Darstellung
eines großen Kriegserlebnisses zu beleben, das nach dem Plan des Romans
nicht fehlen durfte.

Die Schauplätze, die nach solcher Ausscheidung bestehen bleiben, sind Hessen
und Westfalen mit den Hauptpunkten Hanau und Soest. Da treten geschichtliche
Persönlichkeiten auf, von denen mehr gesagt wird, als in den Geschichtsquellen
zu finden war. Bei dem schwedischen Gubernator von Hanau, Generalmajor Ram-
say, der eine Neigung zu dem Knaben faßt, weil er durch ihn an seine verstorbene
Schwester erinnert wird, hat Grimmelshausen sogar das Wagnis unternommen,
eine geschichtliche Persönlichkeit mit den erfundenen Gestalten des Romans auf die
gleiche Ebene zu stellen, indem er die Schwester des Gubernators, Susanna Ramsay,
zur tatsächlichen Mutter des Helden macht und ihren hinterlassenen Gatten, den
Einsiedler, zu seinem unerkannten Vater. Eine andere geschichtliche Figur im
zweiten Buch ist der Kroatenoberst, der sich Corpus schrieb und im Roman so
heißt, wie ihn die Soldaten nannten, nämlich Corpes. Von ihm wird ein so lebenswahres
Porträt gegeben, wie es in keiner Geschichtsquelle zu finden ist.

Als ebenso zuverlässig erweist sich der Erlebnischarakter der Soester Kapitel
im dritten Buch. Nicht nur bekannte Baulichkeiten werden genannt; auch westfälische
Nationalgerichte sind wohlvertraut, und die Landesbewohner werden in
gut abgelauschtem westfälischem Platt eingeführt. Kriegsereignisse, die in keiner
der von Grimmelshausen benutzten geschichtlichen Quellen dargestellt sind, werden
genau berichtet, und wieder tritt der Held zu geschichtlichen Persönlichkeiten
in Beziehung, wie zum Obersten Daniel von St. Andree, der im Frühjahr 1637
Lippstadt kommandierte. Auf bayerischer Seite treten hervor der Generalfeldzeugmeister
Graf von der Wahl, der 1637 von Hessen nach Westfalen zog, sowie

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