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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
42. Jahresband.1962
Seite: 196
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Während ihres Flugs wollen wir nachtragen, was sich bei Neumühl begab. Bis
auf diese Stunde ist die eigentliche Absicht des Feindes bei diesem zwecklos scheinenden
Ausfall, unmittelbar nach der entscheidenden Einnahme der Hauptstadt, rätselhaft
. Sei es nun, daß dieser Ausfall geschah, um das eingeschlossene Straßburg mit
Schlachtvieh zu versehen, oder um sich wegen unserer Freudenbezeugungen zu rächen,
oder endlich, was von Wohlunterrichteten behauptet wird, kann bloß Bachus uns
sagen, warum dieser Ausfall geschehen und gänzlich mißlungen ist; genug, das
Unzweckmäßige und daher Unwahrscheinliche desselben war die Veranlassung zu
dem Unfall, welcher gleich anfangs unsere Truppen getroffen hat.

Ein Piquet (Feldwache), fünfzig Mann stark, von dem in Neumühl liegenden
Bataillon Landwehr (Kinzigkreis) war auf der Hochstraße zwischen Neumühl
und Kehl aufgestellt. Ruhig und unbefangen und zuletzt dieser Vorwache zuwinkend
, rückte auf solches ein französischer Trupp Reiterei. Die ehrlichen, unerfahrenen
Landwehrmänner, in der Meinung, es sei dieses die Bedeckung eines nach
Kork bestimmten Parlamentärs, ließen sie ungehindert in die Nähe kommen.
Plötzlich sprengte die Reiterei unter die Sicheren, und natürlich war nach einigem
vergeblichen Widerstand ein Teil des Postens gefangen, der andere zerstreut. Anders
verstunden die Sache die am Eingang des Dorfs hinter einer kleinen, mit zwei
Kanonen besetzten Schanze postierten badischen und russischen Kanoniere.

Diese und insonderheit der badische Oberkanonier Ohlhaußer richteten ein
solches schnelles und sicheres Feuer auf die heranrückenden Feinde, daß sie so
lange aufgehalten wurden, bis das Landwehr-Bataillon oder vielmehr die einzelnen
Soldaten des Landwehr-Bataillons unter Anführung ihres Herrn Kommandanten
Meier sich gleichfalls zur Wehr setzen konnten. Denn in diesem Augenblick der
Überraschung war bei dieser ungeübten Schar, unter welcher kaum einige gediente
Offiziere stunden, an Formierung und regelmäßigen Widerstand gar nicht zu
denken. Doch Treue gegen den Regenten und heiße Vaterlandsliebe ersetzten
diesen Mangel. Das ganze Bataillon löste sich als Plänkler auf. Wer Kopf und
Herz am rechten Fleck hatte, wurde in dieser Gefahr Führer. Sie besetzten
Scheuern, Gräben und Gärten, benutzen mit Verstand die ihnen wohlbekannten
örtlichkeiten, machten Scheinangriffe und ernstliche Ausfälle gegen die heranstürmende
, viermal stärkere, mit 300 Mann Reiterei und einer ansehnlichen Artillerie
verstärkte feindliche Infanteriemasse. Unsere Landwehrmänner schwuren
sich während des heißen Kampfes, lieber alle zu sterben, als ihre Posten zu verlassen
. Dieser Posten war auch wirklich der Schlüssel zu der ganzen Position des
diesseitigen Blockadekorps. Ging Neumühl verloren, so war das in Sundheim
stehende erste Bataillon Großherzog vom Hauptkorps wegen Verlust der Neumühler
Kinzigbrücke abgeschnitten und die Stellung des letzteren nicht mehr
haltbar. Die Feinde selbst wurden im entscheidenden Augenblick, in welchem ein
rascher Angriff in Masse zu ihrem Vorteil entscheiden mußte, durch den Anblick
so vieler Plänkler, welche sich wehrten, als ob ein ganzes Regiment ihren Rücken
deckte, irregemacht. Sie vermuteten, weil sie wußten, daß die badischen Truppen
bei den Franzosen nicht vergebens in die Schule gegangen waren, daß im Ort selbst

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