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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
42. Jahresband.1962
Seite: 202
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vorzählen kann, ist die Beschuldigung, man übertreibe aus Irrtum und im schmerzlichen
Gefühl die Darstellung sowohl des Verlustes als auch der fortwirkenden
traurigen Folgen jener unglücklichen Zeit, zu entschuldigen. Der Statistiker verlangt
Zahlen und Rechnungen. Hier sind sie. Das Kirchspiel Kork zählt zwar
jetzt etwas über zweitausend Seelen, beim Anfang des Kriegs aber nur fünfzehnhundert
. Dieses kleine Häuflein Menschen opferte auf sein ganzes Gemeindevermögen
von dreimalhunderttausend Gulden und die Bürger mit den Staats- und
Kirchendienern siebenmalhunderttausend Gulden. Unser Kirchspiel hat demnach
seit 1796 — man höre und staune — eine Last getragen von einer Million. Diese
ungeheure Summe gibt einen Maßstab von dem durch milde Regierung, freien
Handel und Wandel, reichliche Ernten und unermüdlichen Fleiß der Einwohner
gegründeten hohen früheren Wohlstand dieser Gegend, aber auch eine ernste Rechtfertigung
gegen den Verdacht und Vorwurf, als ob (wir reden nicht von einigen)
eine große Anzahl der hiesigen Bürger durch Liederlichkeit und fortdauernden
Luxus sich selbst den tiefen Verfall ihrer Vermögensumstände zugezogen hätte;
zugleich gibt jene Summe den Aufschluß, warum die neue Landplage durch Mißwachs
in den Jahren 1816 und 1817 diesen Bezirk, der zwar einen sehr fruchtbaren
Boden, aber eine sehr tiefe Lage hat, abermals am härtesten traf.

Von den meisten Feldern und insonderheit von den Kartoffeläckern wurde kaum
die Saat geerntet. Dabei waren, was man in diesen Jahren überhaupt bemerkte,
besonders in diesen schweren und wasserhaltigen Böden die Gewächse ganz kraftlos
und von geringem Nahrungsstoff. Auf den besten Wiesen und selbst auf den
Äckern stand alles voll Binsen, in welchen eine große Menge von Fröschen und
Kröten sich aufhielte, die in diesen Jahren nebst den Heeren von quälenden
Schnaken das einzige waren, was vorzüglich gedieh. In diesen beiden Jahren und
in dieser Gegend half keine Arbeit und kein Düngungsmittel; ja diese letzteren
zogen nur noch schnellere Fäulnis herbei, und man wurde genötigt, das Wort
anzuwenden: Wo der Herr nicht den Acker baut, arbeiten umsonst, die darauf
arbeiten. Besonders war im Jahr 1816 der Himmel fast immer mit düsteren
Wolken bedeckt, die sich von Südwesten in unaufhörlichen Zügen jagten. Trat die
Sonne einige Male hervor, um gleichsam ihren Fortbestand zu beurkunden, so war
es nur auf kurze Zeit. Die Stimmung unter den Menschen, selbst unter Tieren, war
wie der Himmel, trüb und düster. Die Sänger in den Zweigen verstummten; das
abgemagerte Vieh gab bei seiner schlechten Nahrung fast gar keinen Nutzen,
und den Pferden — Bilder des allgemeinen Elends — fehlte nicht nur die Kraft,
sondern auch der Boden, von welchem aus als ihrem nötigen festen Stützpunkt
sie hätten wirken können. Daher eine Last von 15 bis 20 Zentnern einen Wagen auf
Feldern und Wiesen so tief, oft bis an die Achse in die Erde drückte, daß vier
Pferde ihn erst dann von der Stelle brachten, wenn Menschen durch Anstemmen
und darauf folgendes schnelles Fortjagen den Wagen vor dem Versinken bewahrten
. Sonderbar war es, daß die wenigen heitern Sonnentage dieses Jahres meist
auf die Sonntage fielen. Daher, wenigstens in dieser Gegend, beinahe die ganze
Frucht- und Heuernte an diesen heiligen Tagen nach Hause geschafft wurde. Es

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