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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
43. Jahresband.1963
Seite: 223
(PDF, 61 MB)
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und der Siechenmutter fast wie von einem Abt oder einer Äbtissin geleitet, strenge,
fast klösterliche Vorschriften. Dieser Charakter der Gutleuthäuser geht daraus hervor
, daß sie stets eine Kapelle besaßen, die einem Heiligen geweiht war. Besondere
Schutzheilige für den Aussatz gab es offenbar nicht. Häufig findet man den Heiligen
Georg als Schutzheiligen von Gutleuthäusern, aber auch so seltene Heilige wie
Hiob und Lazarus waren Patrone von Leprosorien.

Für das tägliche Leben bestanden genaue hygienische Vorschriften. So durfte
keiner das Salz mit den Fingern entnehmen oder aus dem Wasserkessel trinken.
Jeder mußte sich den Verband selbst anlegen oder einem anderen Aussätzigen dabei
behilflich sein. Seltsam berührt, daß die Aussätzigen heiraten durften, mit besonderer
Erlaubnis, versteht sich. Es hat auch den Anschein, daß die Verpflegung in
den Gutleuthäusern sich sehenlassen konnte — jedenfalls wissen wir, daß es Simulanten
gab, die versuchten, in einem Leprosenheim aufgenommen zu werden.

Aus dieser allgemeinen Sicht heraus muß man die Ernennung Widmanns zum
ärztlichen Leiter des gesamten Aussätzigenwesens in Württemberg betrachten. Es
kommt hinzu, daß Widmann zeitlebens sein ärztliches Interesse weitgehend, fast
könnte man behaupten: nahezu ausschließlich der Erscheinung von Massenerkrankungen
, der Seuchenbekämpfung, gewidmet hat und allen jenen therapeutischen
Maßnahmen seine Kraft zugewandt hat, die irgendwie von sozialhygienischer Bedeutung
waren. Von seinen Bestrebungen um eine Reform der Apotheken und des
Hebammenwesens war schon die Rede; das Kapitel der Sondersiechen sei hiermit
in allgemeiner Sicht abgeschlossen. Ferner darf der Verfasser in diesem allgemeinen
Zusammenhang noch verweisen auf seine Veröffentlichungen in der „Ortenau":
„Die Bettler und der Bettelvogt — Zur Entwicklung des Fürsorgewesens in Mittelbaden
vom Mittelalter bis in die Gegenwart" (Ortenau 1957) und „Fraternitas
mercatorum sive institorum — Zur Geschichte der Bruderschaften in der Stadt
Baden vom 15. bis zum 18. Jahrhundert" (Ortenau 1958).

Im besonderen hat es aber den Anschein, als ob sich Widmann schon sehr früh,
schon in seiner Baden-Badener Zeit dem Problem der Bekämpfung des Aussatzes
zugewandt hat — er kam ja von der Pestforschung her, ebenfalls einer epidemischen
Fürscheinung, um deren Ursache die Wissenschaft seiner Zeit rätselte. Es ist durchaus
möglich, daß die Gründung des Gutleuthauses in Baden-Baden — diesen Namen
trägt es noch heute — mit Johannes Widmann verknüpft ist. Es wird zum erstenmal
in dem Pfründenverzeichnis der Bäderstadt von 1488 erwähnt; dort ist die
Rede davon, daß eine Pfründe im „Feldsiechenhaus" dem Collegiatstift — der
1453 zur Stiftskirche erhobenen Pfarrkirche — zugehört. Ein Badener Bürger
namens Anton Kirser wird unter den Stiftern des Gutleuthauses erwähnt — und
der Dr. Jakob Kirser, der Kanzler des Markgrafen Christoph, war Widmanns
Schwiegersohn.

Es ist deshalb durchaus möglich, daß Widmann schon in seiner Baden-Badener
Zeit hier mit dieser Einrichtung öffentlicher Sozialhygiene zu tun hatte. Jedenfalls
war es naheliegend, daß er in jenen Jahren mit den armen Feldsiechen als Arzt
zu tun hatte: und hierzu gab es nun eine ganz besondere Veranlassung. Das eigenartige
an dem Baden-Badener Gutleuthaus war nämlich, daß es zugleich ein eigenes

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