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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
45. Jahresband.1965
Seite: 22
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sein wollten. So kam u. a. die berühmte Sängerin Sonntag35), damals Gräfin
Rossi, mit ihrem Gemahl zu uns und sang mehrmals in unserem Kreis. Auch
unsere fürstlichen Verwandten fanden sich häufig ein, wobei allerdings der Raum
oft knapp wurde.

Prinz Louis Napoleon verschwand vor Mitternacht

Eine historische Erinnerung von einiger Bedeutung bildete der Besuch, den der
Prinz Louis Napoleon36), Neffe der Großherzogin-Witwe Stephanie37), auf Favo-
rite abstattete. Er verweilte schon mehrere Wochen bei seiner Tante in Baden und
wohnte bei ihr auf dem Schlosse, als er sich bei meinen Eltern anmeldete. Diese
bezeichneten ihm eine Nachmittagsstunde zum Empfang, und der Prinz erschien
denn auch in einem Wagen seiner Tante, die Pferde selbst kutschierend und begleitet
von einem Marquis de Cricourt. Die Eltern empfingen ihn in dem kleinen
Eckzimmer, welches mit den schönen Miniaturen ausgestattet ist. Später führten
sie ihn hinüber in die Arkaden, wo die Herren und Damen des Hofes versammelt
waren und Erfrischungen gereicht wurden. Nach etwa zweistündigem Aufenthalt
kehrte der Prinz nach Baden zurück, wo er an dem gleichen Abend ein Fest auf
dem Neuen Schloß veranstaltete. Hierzu hatte er viele Personen aus der Bekanntschaft
seiner Tante eingeladen und das Schloß bengalisch beleuchten lassen. Man
tanzte in dem Rittersaal38) und im Freien nach den Klängen des Badeorchesters
bis tief in die Nacht hinein; der Gastgeber selber aber verschwand schon vor
Mitternacht und kehrte zum Erstaunen und Schrecken seiner Tante nicht mehr
in das Schloß zurück.

Das Attentat gegen Louis Philippe

Er war nämlich in der Nacht nach Straßburg gereist39), um am anderen Morgen
das verhängnisvolle Attentat in der Artilleriekaserne gegen die Regierung Louis

35) Die berühmte Henriette Sonntag war 1836 neunundzwanzig Jahre alt. Sie hatte 1827 Graf Rossi
geheiratet (sardinischer Gesandter am Deutschen Bundestag von 1835—1838) und drei Jahre später die
Bühne verlassen. Finanzielle Schwierigkeiten zwangen sie aber 1849 wieder aufzutreten. Sie starb 1854 auf
einer Vortragsreise in Mexiko (Grimm, a. a. O. Seite 488).

W) Prinz Louis Napoleon wurde später Napoleon III.

37) Großherzogin-Witwe Stephanie, Gemahlin von L:rbprinz Karl Ludwig, wurde 1789 zu Paris geboren
und starb 1860 zu Nizza. Sie hatte im Anfang ihrer Ehe und als Witwe ihren Sitz zu Mannheim. Es war
ihr Lieblingswunsch, daß der älteste Sohn des französischen Königs Louis-Philippe, der Herzog von Orleans,
die badische Prinzessin Marie, also die spätere Lady Hamilton, heiraten sollte. Von 1818—1843 bewohnte
Stephanie das Neue Schloß in Baden-Baden, obwohl sie auf dem „Rettig" einen Pavillon erbaute. Nach
dem Zusammenbruch des napoleonischen Empire flüchteten die Napoleoniden zuerst hierher. 1817 kaufte
sich dann Königin Hortense Schloß Arenenberg in der Schweiz, gegenüber der Insel Reichenau. Dieses Schloß
ist heute ein Museum, das erstaunlich viel besucht wird. Das Haus, seine Möbel und Erinnerungen haben
viel dazu beigetragen, eine Legende um Hortense zu bilden, wie die Amerikanerin Constanze Wright in
ihrem Buch „Hortense, Tochter Napoleons", Marion und Schröder-Verlag Hamburg 1963, schreibt. Im
Napoleonmuseum befinden sich 4 Zeitungsausschnitte aus Anlaß des Todes von Stephanie am 29. 1. 1860
in Nizza, 1 Brief von Stephanie an Hortense, ausgestellt Landy, 13. 4. 1807, über eine Soiree am kaiserlichen
Hof zur Glanzzeit, 1 Dokument betr. Dotation des Großherzogs Karl von Baden und Stephanie
an Mme. Claude Cesuy-Marmesicu, ausgestellt in Schwenningen, 6. 6. 1811, mit Unterschrift und Siegel
von Großherzog Karl von Baden und Stephanie Napoleon, wie der Leiter des Museums mitteilte.

38) Rittersaal im Bernhardsbau, stammt aus dem 15. Jahrhundert.

39) Nach Obser, Jugenderinnerungen Großherzog Friedriehl I. von Baden, Seite 27, liegt hier eine

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