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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
45. Jahresband.1965
Seite: 255
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1965/0258
Sitte und Brauch im Volksleben des Landkreises Bühl

von Friedrich K o b e r

Erster Abschied vom Elternhaus

Die Freude der Eltern beim Festmahl des Weißen Sonntags war beschwert durch
mehrere Abschiede: Sechs Jahre lang hatte das schulpflichtig werdende
Kind sonderlich der Mutter fast allein gehört, dann hatte sie es Tag für Tag durch
acht Jahre in die Obhut der Schule geben müssen. Und jetzt verließ das Kind das
Elternhaus, um eine meist auswärtige Handwerks- oder kaufmännische Lehre anzutreten
oder in sonst einen Dienst zu gehen. Das war für Mädchen schon eine
recht große Sorge. Nicht ohne Grund war daher der Montag nach dem Weißen
Sonntag fürs ganze Dorf ein freier Tag. In Neusatz badete die Mutter dem
scheidenden Kind als letzte Mahlzeit einen Eierkuchen, in dessen Teig sie ein
Stäublein Kehricht gerührt hatte: Kehricht haftete an den Schuhsohlen, er würde
das Kind über alle Wege auch wieder heimführen. Zu völliger Sicherheit mußte es
das Hemd verkehrt, mit dem Rückteil nach vorn, anziehen; so schaute die Herzseite
auf der Wanderschaft zurück zum Elternhaus, das scheidende Kind behielt
es im Auge in der Fremde.

Der erste Schultag

Die in Neusatz schulpflichtig gewordenen Kinder wurden von den größeren
spöttisch als „Same n" bezeichnet und auf dem ersten Schulgang mit gelind sein
sollenden Püffen „zum Eingewöhnen" bedacht. In der ersten Pause regnete es
dann derartige Liebkosungen. Die Lehrer konnten die Augen nicht überall haben,
da versteckte sich ein kinderreicher Vater und stellte mit einer Wiede den
Brauch ab.

Doch fanden sich insbesondere die Buben bei den Schulgängen in Regen und
Schnee zu ritterlichen Taten zusammen: sie nahmen die aus durchlässigem Stoff
genähten Schultaschen der Mädchen in ihre wasserdichten Ranzen aus Leder, Blech
oder Holz. Im Winter wurden den hölzernen Ranzen Schlittenkufen angeschraubt,
und jauchzend fuhren die kleinen wie auch — erst recht — die großen Mädchen
mit ihren Rittern zu Tal.

In den Orten der Ebene stakten die Schulkinder über die zugefrorenen
Wasserläufe zur Schule, zur Kirche und zu Botengängen.

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