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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
53. Jahresband.1973
Seite: 227
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angewachsener Viehstand. Auffällig sind die vielen Versteigerungslose von „Wasserkraut
" als Futterquelle in diesen Jahren. Die Folgen waren unerschwingliche
Preise für Lebensmittel. Ein Laib Brot war von 20 auf 50 Kreuzer aufgestiegen.
Auch die Gemeinde Diersheim war genötigt, eine Volksküche einzurichten. Die
Rechnung von 1847 notiert dafür 725 Gulden. Für weitere 140 Gulden kaufte
die Gemeinde Kartoffeln auf Vorrat. Selbst sonst wohlhabende Bauern mußten
zum Essenempfang antreten. Die finanzielle Not wurde so groß, daß niemand
in der Lage war, seinen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Die fälligen
Ablösungsraten für Fron und Zehnten zu begleichen war unmöglich. 3/4 dieser
ehemaligen Feudallasten hatte der badische Staat für sich in Anspruch genommen.
Diersheim war verpflichtet, an ihn 21 712 Gulden zu zahlen. Das 4. Viertel, an
die Kirchenschaffnei zu entrichten, betrug 7 246 Gulden. Die Gesamtschuld also
29 058 Gulden. Diese Ablösungsbeträge mußten in 5 Jahresraten von 1839 bis 43
bezahlt sein. Der badische Staat sicherte sich die Zahlung dadurch, daß er die
Zehntschuldentilgungskasse gründete, die den Gemeinden das Geld gegen Verzinsung
vorschoß, das sie dann der Zeit entsprechend mühsam abstotterten. Die
alten Lasten waren noch geblieben, nur aus den vorher vielen Einzugsberechtigten
waren zwei geworden.

Wir im Hanauerland waren immer durch verwandtschaftliche und freundnachbarliche
Beziehungen mit dem Elsaß verbunden. Französische Kriege konnten
dieses Verhältnis nur kurzfristig, oft gar nicht überschatten. Die französische
Revolution im Februar 1848 hatte die harten Feudallasten mit einem Federstrich
beseitigt. „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" klangen wie Fanfarentöne über
den Rhein herüber und fanden auch bei uns in Diersheim viele willige Ohren,
weil eben die Not wirklich groß war. In allen Rheinorten führte das zu einem
wahren Freiheitstaumel. Diersheim hatte in Müller Johann Georg Hummel eine
redegewandte, zielbewußte Führerpersönlichkeit. Viele Diersheimer hatten sich
an der von Hecker am 19. März 1848 in Offenburg geleiteten Volksversammlung
beteiligt. Sie rissen auch die noch Säumigen in den Befreiungsstrudel hinein
.

In dieser Zeit wurden die alten Jagdgesetze von der Regierung aufgehoben. Jeder
konnte jetzt jagen, wann und wo er innerhalb der Gemeindegrenze wollte. Der
Wildbestand war schnell ausgemerzt. Rehe aus dem Korkerwald wurden in der
Waagkammer im Rathaus ausgehauen. Kleinwild wanderte in die Pfannen der
Jäger. Die Jagdfreiheit förderte überall das Verlangen nach weiteren Freiheiten.
Als Heckers bewaffneter Aufstand blutig niedergeschlagen war, wurde Hecker
erst recht auch bei uns als Held des Volkes gefeiert. Sein Bild wurde auch in
Diersheim auf das in vielen Häusern vorhandene Bildnis von Großherzog Leopold
aufgeklebt. Mancher Diersheimer ließ sich sogar einen Heckerbart wachsen
zum Zeichen seiner Verehrung.

In Achern gaben am 10. Juni 1848 die Diersheimer Wahlmänner Müller Johann
Georg Hummel und Akzisor Friedrich Hauß ihre Stimmen ab zum 1. Deutschen
Parlament, das von Frankfurt aus die Geschicke ganz Deutschlands lenken sollte.

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