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Schiltach in den Revolutionsjahren 1848 und 1849
Von Hermann Fautz
Zur sozialen Lage vor der Revolution
Die Jahre nach den napoleonischen Kriegen brachten dem deutschen
Volke in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht viele Enttäuschungen.
Statt der erhofften Bildung eines Staates unter der Leitung eines Regenten
mit der Beteiligung einer Volksvertretung in der Regierung, blieb es
wieder bei der Vielzahl von souveränen Einzelstaaten mit angestammtem
Herrscherhaus. Das Volk, das in den Kämpfen mit und gegen Napoleon
große Opfer an Gut und Blut gebracht hatte, verlangte neue Staatsformen.
In dem losen Verband der deutschen Bundesstaaten hielt man aber an veralteten
konservativen Grundsätzen fest und bekämpfte jede freiheitliche
Regung. Überall gärte es in den Landen.
Das Land Baden, das an zwei Republiken angrenzte, aus denen viele freiheitliche
Ideen über den Rhein herüberkamen, erhielt unter dem Druck
der Zeitverhältnisse im Jahre 1818 unter Großherzog Karl eine landständische
Regierung. In ihr war das Volk in zwei Kammern vertreten. In der
ersten Kammer hatten die Vertreter des Hochadels, der Landeskirchen und
der Universitäten Sitz und Stimme. Die zweite Kammer setzte sich aus
den vom Volke in indirekter Wahl gewählten Abgeordneten zusammen.
Unter Großherzog Ludwig (1818—1830) kam es zu heftigen Auseinandersetzungen
mit Vertretern der zweiten Kammer. Dieser letzte badische
Fürst aus dem alten zähringischen Geschlecht war beim Volke nicht beliebt
. Als im Jahre 1830 sein Stiefbruder Leopold, der erste Großherzog
aus der hohenbergischen Linie, an die Regierung kam, hoffte man auf
bessere Verhältnisse zwischen der Regierung und dem Volke. Großherzog
Leopold zeigte sich aufgeschlossen für die politischen Bestrebungen des
Volkes. Er führte viele zeitgemäße Reformen durch und berief liberal gesinnte
Männer in seine Regierung. Er wurde allgemein „Volksfreund",
„Bürgerfreund" genannt.
Unter seiner Regierung wurden die Reste der alten Feudalrechte abgeschafft
. Es war insbesondere Karl von Rotteck (1775—1840), Professor an
der Universität Freiburg, der als deren Vertreter in der 1. Kammer (1819
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