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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
54. Jahresband.1974
Seite: 271
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1974/0273
Miner frouwen minnestricke

hänt gebunden mir den lip,

unde ir liehten ougen blicke. (1/4, 1-3)

Die Liebesbande meiner Dame

haben mich umstrickt,

und dazu der helle Blick ihrer Augen.

Doch hat solche Klage darüber, von der Dame und an die Dame gefesselt
zu sein — „und doch twingent mich ir bant!" (1/2, 7) — sowie in ihrem
Bann zu stehen, mit wirklichem Erleben ebensowenig zu tun wie, trotz
Übersetzung, wirkliche Liebe mit dem, was damals Minne hieß. Denn es
war diese größtenteils eine Fiktion und ein artifizielles, konventionelles
Gesellschaftsspiel der höfisch-ritterlichen Kreise, Mode, Rhetorik, unverbindliche
aber kultivierte Galanterie.

Was jedoch, wenn nicht echt empfundenes Gefühl, verbirgt sich dann hinter
jener vielbesungenen Minne? Darauf antwortet wie kaum ein anderes
das Bild, welches das Wort von ihren Fesseln und Banden zitiert. Sie
werden mit gefalteten Händen entgegengenommen — gewiß eine Gebärde
freiwilliger Hingabe und Wehrlosigkeit, zugleich auch eine der Anbetung.
Indessen ist sie im letzteren Sinn nicht ohne Zwischenglied aus dem
ersteren abzuleiten: das Falten der Hände im Gottesdienst setzt bereits
voraus die so übliche Haltung im Herrendienst, weil nämlich, gemäß dem
bereits altfränkischen Rechtsinstitut der commendatio, der Lehensmann
solcherart sein Lehen empfing; und erst daraufhin konnte die Gebärde, als
nunmehr hochbedeutendes Zeichen, auf sein Verhältnis zu Gott wie zur
Dame übertragen werden.6

Mit der lehensrechtlich gefüllten Formel „mine hende valde ich ir" 7, die
sie Bruno in den Mund zu legen scheint, macht die Illustration auf selten
klare Weise anschaulich, was seinen und allen Minnesang begründet: „daß
in dem Treugelöbnis und der erotischen Hörigkeit des Mannes nur die
allgemeinen Rechtsbegriffe des Feudalismus zum Ausdruck kommen und
daß die höfisch-ritterliche Konzeption der Liebe nur die Übertragung des
politischen Vasallitätsverhältnisses auf die Beziehung zur Frau" ist und
das Lied des Minnesängers „die Sublimierung seiner sozialen Gebundenheit
" 8. Wendet er sich ja stets (sofern er nicht mit Neidhart von Reuental,

6 Vgl. Jacob Grimm, Deutsche Rechtsalterthümer. Bd. 1. 4. Aufl. Leipzig 1899, S. 192—194; Engelbert
Kirschbaum (Hrsg.) Lexikon der christlichen Ikonographie. Bd. 2. Rom-Freiburg-Basel-Wien 1970,
Sp. 215; Ewald Jammers, Das Königliche Liederbuch des deutschen Minnesangs. Eine Einführung in die
sogenannte Manessische Handschrift. Heidelberg 1965, S. 44 und S. 70.

7 Zit. nach Grimm, a. a. O. S. 193.

8 Arnold Hauser, Sozialgeschichte der Kunst und Literatur. München 1972, S. 223 (hier basierend
auf den Thesen Eduard Wechsslers); das Folgende in Anlehnung an S. 224—228.

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