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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
54. Jahresband.1974
Seite: 273
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konkret die Liebe statt der Minne anvisierend, ins dörflich-bäuerliche
Milieu ausweicht) an die höhergestellte und gar verheiratete Dame, die
Herrin und Gattin seines Herrn; was sozial als auch moralisch nur das Singen
, nicht aber das Tun zuläßt, in der Polarität und nicht der Synthese ein
Genügen findet. Gewiß hängt dies damit zusammen, daß die Herrin den
Herrn während seiner durch allerhand Kriegsläufte und -pflichten bedingten
Abwesenheit de iure und de facto vertrat, zudem gegenüber einem
teils entwurzelten und freischwebenden, nach Gunst und Gönnerschaft
strebenden Rittertum; zudem auch als oft fast einzige Frau und somit Mittelpunkt
der Burg, „einer nach außen inselhaft abgeschlossenen Welt" 9;
zugleich als Erzieherin, die die Heranwachsenden ins höfische Leben einwies
: „daz ich diente ir ie von kinde" (1/3, 6), auch Bruno von Hornberg
hat es bezeugt. Sehr oft wird ja das aller Minne innewohnende Erziehungsverhältnis
im Gleichnis der Falkenzucht versinnbildet, demgemäß anderswo
in der Manessischen Handschrift die Dame ihren Falken ähnlich am
Bändel hat wie hier ihren Verehrer.

Jedenfalls, das ist der Minne als einem Spiel wesentlich eingeschrieben,
konnte noch wollte der eine zur anderen kommen („da man nicht freite,
wo man minnte" 10) — sowenig wie, nach der Illustration, die Dame auf
dem ungeduldig ausschreitenden Pferd zum im Turm einsitzenden Dichter;
wobei das architektonische Element hier vielleicht nicht ganz zufällig erscheint
, da es nämlich der christlichen Ikonographie als Symbol der
Keuschheit giltll.

Daß es dem Maler nicht auf realistische Abbildung, sondern auf sinnhaltige
Zeichenhaftigkeit ankommt, erweist sich bereits in den verschobenen, dem
ersten Blick befremdlichen Proportionen: der Turm und auch das Pferd
sind im Verhältnis viel zu klein geraten, weil sie nicht einer naturhaften,
vielmehr aber der spezifisch mittelalterlichen Bedeutungsperspektive sich
unterordnen. Dagegen zentriert sich das Gemälde um die tiefsinnige und
bedeutungsvolle, dem Gedicht abgewonnene Handgebärde; und noch ohne
daß diesem als Ganzem das Recht, das ihm wahrlich gebührte, hier hätte
gegeben werden können, ist schon an dem einen Motiv aufweisbar, wie
Manessische Handschrift durch Bruno von Hornberg, einen späten aber
um so kunstfertigeren Virtuosen, Inbild und Inbegriff des Minnesangs erstehen
läßt.

9 Ebda. S. 228.

10 Gottfried Keller, Hadlaub. In: G. K., Gesammelte Werke. Bd. 3. Zürich 1960, S. 20—88 (Züricher Novellen
S. 5—308); hier S. 76; das Ganze; eine poetische Spekulation über die Entstehung der Manes-
sischenHandschrift.

11 Vgl. Gerd Heinz-Mohr, Lexikon der Symbole. Bilder und Zeichen der christlichen Kunst. Düsseldorf-
Köln 1971, S. 297 (ausdrücklich: „ein mit Zinnen gekrönter" Turm!); auch Kirschbaum, a. a. O. Bd. 4.
1972, Sp. 393.

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