Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1976/0304
Heiner Raulff: Zwischen Machtpolitik und Imperialismus. Die deutsche
Frankreichpolitik 1904/06. Droste Verlag Düsseldorf 1976. 215 Seiten.
DM 39.

Die große Anzahl der Untersuchungen über die deutsche Außenpolitik im
Zeitalter Wilhelms II. wird bereichert durch diese gründliche Studie von
Heiner Raulff (Mitglied des Historischen Vereins für Mittelbaden), die 1976
von der Philosophischen Fakultät der Universität Freiburg i. Br. als Dissertation
angenommen wurde. Sie untersucht einen Aspekt der Frankreichpolitik
des Deutschen Kaiserreiches, der bisher weitgehend von der historischen
Forschung vernachlässigt worden war.

Vor dem Hintergrund der internationalen Beziehungen während des russischjapanischen
Krieges verfolgt der Verfasser in seinem Buch das Ziel, die deutschfranzösischen
Beziehungen, den Konflikt um Marokko und die Wirtschaftsrivalität
in der Türkei in der Zusammenschau zu erfassen und ihre innenpolitischen
Bedingungen und Auswirkungen aufzuzeigen. Durch genaue Auswertung
der Fülle der archivalischen Quellen sowie der zahlreichen Sekundärliteratur
entwirft Heiner Raulff nicht nur ein detailliertes Frankreichbild des
Kaiserreiches in den Jahren 1904 bis 1906, sondern auch eine exemplarische
Analyse der wilhelminischen Außenpolitik, die stets zwischen europäischer
Machtpolitik und Imperalismus schwankte. Da eine zusammenhängende Gesamtschau
der Frankreichpolitik des Deutschen Kaiserreiches bisher noch fehlt,
bietet die Studie Raulffs wenigstens eine richtungweisende Teiluntersuchung
der deutschen Frankreichpolitik im Zeitalter Wilhelms II.

Seit der Annexion Elsaß-Lothringens 1871 klaffte ein tiefer Riß in den deutschfranzösischen
Beziehungen, der sich seit der Jahrhundertwende ständig vergrößerte
und schließlich in der Marokkokrise zu einem Krieg zu eskalieren
drohte. Raulffs Untersuchungen zeigen deutlich, welche dominierende Rolle
der Vortragende Rat im Auswärtigen Amt in Berlin, Friedrich von Holstein,
einnahm. Er allein schien im Hinblick auf Frankreich eine klare Konzeption
zu verfolgen, die nach Raulff weder Wilhelm II. noch sein Reichskanzler Fürst
von Bülow besaßen. In diesem Zusammenhang wird überzeugend nachgewiesen
, daß Friedrich von Holstein hinter der deutschen Marokko-Aktion stets
die treibende Kraft blieb. Kritisch analysiert der Verfasser vor allem den
autokratischen Führungsstil sowie den politischen Dilettantismus Wilhelms II.,
dessen Frankreichbild von mannigfaltigen Vorurteilen geprägt war. Traditionelles
„Erbfeind"-Denken vermischte sich bei ihm mit Demokratie- und Republikfeindlichkeit
zu Klischeevorstellungen über Frankreich, die bei der Beurteilung
der französischen Außenpolitik und bei der Einleitung der deutschen
Marokko-Aktion eine wesentliche Rolle spielten.

Nach Raulff vertraten sowohl der Kaiser als auch die Mehrheit im Generalstab
damals die Uberzeugung von der Berechtigung zu einem Präventivkrieg gegen
Frankreich. Die Marokkokrise von 1904/06 als erste einer Reihe von Turbulenzen
im europäischen Mächtesystem vor 1914 erzeugte bei den militärischen
Spitzen in Berlin eine Kriegspsychose und begünstigte die Ansicht, daß ein
Krieg gegen Frankreich auf die Dauer unabwendbar sei. Einer der Hauptverfechter
eines Präventivkrieges gegen Frankreich sei der damalige Generalstabschef
Graf Schlieffen gewesen. Er habe die deutsche Politik gegenüber
Frankreich auf die einfache Alternative reduziert „entweder gegen Frankreich
einen Präventivkrieg zu führen oder endlich eine Neuregelung hinsichtlich
Elsaß-Lothringen zu finden" (Seite 126). In jenen Jahren habe Schlieffen den
nach ihm benannten Aufmarschplan entwickelt, der im Entwurf von 1904 den

302


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1976/0304