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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
57. Jahresband.1977
Seite: 210
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III. Rat und Reformation

1. Die Schule im Spannungsfeld von Kloster und Stadt

Die Gengenbacher Klosterschule gehörte schon seit frühester Zeit zur Abtei. In
ihr wurde der geistliche Nachwuchs für den Konvent herangebildet. Aber auch
die Stadtkinder fanden darin Aufnahme.79 Mit dem Aufstreben des Stadtbürgertums
im Spätmittelalter und der Bewegung des Humanismus wuchs das Interesse
der Bürger an Bildung und Schule. Das Kloster besaß jedoch das verbriefte
Recht, allein eine Schule in der Stadt unterhalten zu dürfen. Spannungen
mit der Stadt konnten so nicht ausbleiben. Dies um so mehr, als sich im
15. Jahrhundert die Mönche kaum noch um die Schule kümmerten, sondern
einen Schulmeister anstellten, der im Kloster wohnte und vom Schulgeld der
Stadtkinder lebte.

Gegen Ende des Jahrhunderts waren jedoch die Mißstände im Schulwesen so
gravierend geworden, daß sich die Bürgerschaft weigerte, ihre Kinder weiterhin
in die Klosterschule zu schicken. Es seien dort „merkliche Gebrechen" und
„Unfleiss" festzustellen, die den „Kindern zum bösen Exempel" und Nachteil
gereichen würden. Der Rat errichtete nun 1494 eine eigene Schule, was aber
bald zu heftigen Zusammenstößen mit dem Kloster und zu dem gerichtlichen
Urteil führte, daß die städtische Schule wieder geschlossen werden mußte. Der
Abt bekam die Verpflichtung auferlegt, für einen geordneten Schulbetrieb und
einen tüchtigen Schulmeister zu sorgen. In der großen Privilegienbestätigung
durch Kaiser Maximilian I. im Jahre 1516 wurde das Schulmonopol des Klosters
ausdrücklich bestätigt.80

Dies bedeutete allerdings noch keinen Frieden. Vielmehr schleppte sich der
Schulstreit in die Reformationszeit hinein, in der der Plan einer eigenen städtischen
Schule neuen Auftrieb bekam. In jenen Forderungen des Rats von 1525
verlangte die Stadt das Recht, künftig einschreiten zu können, da die Schule
bisher von Abt und Konvent unordentlich und fahrlässig geführt worden sei.81
Offensichtlich drängte der Rat in den folgenden Jahren wieder nach einer eigenen
Schule; diesmal jedoch mit größerem Erfolg. Nach heftigen Beschwerden
seitens der Stadt 1533, daß das Kloster seiner Verpflichtung, einen Schulmeister
zu halten, nicht mehr nachkomme, folgten Verhandlungen, die im Jahre 1534
unter Einfluß Graf Wilhelms von Fürstenberg zu einem Vertrag führten.82 Dem
Vertrag ist u. a. zu entnehmen, daß die Stadt an den Grafen herangetreten sei
mit der Bitte, den Mißständen Abhilfe zu schaffen; ferner, daß das Kloster
zuvor schon bereit gewesen sei, für einen Schulmeister zu sorgen, allerdings mit
der Bedingung, daß er „mit sinen knaben in dem chor mit singen", also den
Chorgesang der Mönche unterstützen müsse. Die Stadt hatte dies aber mit der
Begründung abgelehnt, daß dadurch die Kinder „die best ... zitt" im Chor verbringen
würden. Zudem sei „in disen zitten" kein Schulmeister unter solchen
Bedingungen zu bekommen. Deshalb sei es nun zu diesem Vergleich gekommen,
daß Kloster und Rat in Zukunft gemeinsam einen Schulmeister wählen und —
ohne Verpflichtung zum Chordienst — ihn gemeinsam unterhalten. Im Grunde
hatte die Stadt damit „ihre Schule"." Sie hatte erreicht, was sie seit Jahrzehnten
erstrebt hate: Einfluß auf das Schulwesen und dadurch Ausdehnung des
eigenen Herrschaftsbereichs zum Nachteil des Klosters.

Was dann folgte, war die konsequente Weiterführung des so Erreichten: Im
Jahre 1536 stellte die Stadt den evangelischen Theologen und Humanisten
Matthias Erb als Schulmeister an, der eine protestantische Schule eröffnete und

79 Vgl. Hitzfeld, Geschichte der Abtei, a.a.O. S. 35; Gothein, a.a.O. S.258; Kurier, a.a.O. S. 217

80 GLA 30/79 1516 Nov. 24.

81 Frank, FDA 6, S. 9.

82 GLA 30/97a 1534 August 19.

83 Nach B. Moeller, Die Kirche in den evangelischen freien Städten Oberdeutschlands im Zeitalter der
Reformation, in: ZGORh 112 (1964) S. 154—155, ist es ein Merkmal oberdeutscher Reformation, daß
das Schulwesen von der Stadt übernommen und aus Kirchen- und Klostergut finanziert wurde.

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