Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
57. Jahresband.1977
Seite: 213
(PDF, 70 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1977/0215
kirchlichen Verhältnise ordnen.95 Bereits 1526 entstanden so erste Kirchenordnungen
. Ihre Aufgabe war die Regelung des gesamten kirchlichen Lebens, wie
Gottesdienst, „innere Organisation, Recht, Verwaltung, Disziplin", Sozial- und
Schulwesen. Meist wurden sie von städtischen, fürstlichen oder kleinherrschaftlichen
Obrigkeiten erlassen und zeigen auch vielfältige Unterschiede unterein-
andere auf, sowohl was den Umfang als auch Inhalt und Verbindlichkeit betrifft
.

Kirchenordnungen, die also mit der „Organisation des evangelischen Kirchenwesens
" aufs engste zusammenhängen, waren überall dort notwendig, wo die
Reformation Fuß fassen konnte. Sie dienten als ein wichtiges Hilfsmittel zur
Durchsetzung der neuen Lehre. Weil sie zu unterschiedlicher Zeit und auf einem
je eigenen historischen Hintergrund entstanden sind und weil sie sehr oft Bezug
nehmen auf damalige Zustände, stellen sie „wertvolle Quellen des Kultur-
und Soziallebens" jener Zeit dar.

2. Die Entstehung der Gengenbacher Kirchenordnung

Wie wir oben gesehen haben, hat der Gengenbacher Magistrat bereits in den
zwanziger Jahren kirchliche Angelegenheiten zu den seinen gemacht, indem er
Prädikanten anstellte und besoldete. Später war es ihm gelungen, eine eigene
Schule einzurichten, die er mit evangelischen Lehrern versah. Nachdem das Kloster
sowohl Bedeutung als auch Einfluß auf politisches und kirchliches Leben
ab 1531 nahezu völlig eingebüßt hatte und die Reformation gediehen war,
hatte der Rat in der Stadt kein politisches Gegengewicht mehr. Es lag nun nahe,
daß er als alleinige Obrigkeit über seine Untertanen und als Inhaber der faktischen
Kirchenhoheit auch das kirchlich-religiöse Leben in Gengenbach regelte,
was in der Kirchenordnung von 1538 geschah und wie es auch in anderen
evangelisch gewordenen Reichsstädten der Fall war.

Eigenartigerweise kam nach den uns vorliegenden Qellen der erste Anstoß, die
Initiative, zur Kirchenordnung nicht vom Rat, sondern von den beiden Prädikanten
Konrad Knecht (latinisiert: Servitoris), Lucius Kyber und dem Schulmeister
Matthias Erb, die in dem Schreiben vom 4. Januar 1538 den „Christlichen
Rhatt" ansprechen.96 Sie berichten diesem „von dem herrlichen auffgang
des Euangeliums vnnd eeren gottes", was nahelegt, daß die neue Lehre bei den
Bürgern großen Anklang gefunden hatte. Nach einer demütigen Versicherung
gegenüber dem Rat, daß sie weiter nichts anderes als „allain das wort gottes"
lehren und „handeln" wollen und bei Nichteinhaltung dieser Zusage vom Rat
bestraft werden mögen, fahren sie fort: Da „der glaub nit yedermans ding ist",
alle Menschen zum Bösen neigen und ein Teil der Menschen nur aus Furcht vor
der „straff zum gutten bewegt" wird, hat Gott auf zweierlei Art „geordnet",
daß keiner verloren gehe, sondern selig werde. Diese Ordnung sind „die Prediger
mit dem wort vnnd weltliche oberkayt mit irem gewalt (zur besserung
des nechsten) zu vollziehen schuldig".

Hier wird also von Seiten der Prädikanten theologisch zu begründen versucht,
daß der Rat nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflicht habe, für die Ordnung
der Kirche zu sorgen. Im folgenden werden nun die Gründe genannt, die
eine Kirchenordnung notwendig machen: „mit predigen vnd mit gepieten" der
Geistlichen bzw. des Rats sei bisher wenig erreicht worden. Deshalb sei es nun
notwendig, daß „das aller letst mittel", nämlich Zucht und Strafe eingeführt
werden. Die Frommen und Gottseligen sollen die Fürsorge des Rates spüren
können. Deshalb bitten die Prediger die Herren, nicht nachzulassen, „ewere
kirchen" zu reformieren.97 Es soll in der Stadt ein ehrbares Leben begonnen

95 Vgl. E. W. 2eeden, Katholische Überlieferungen in den lutherischen Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts
, Münster 1959, S. 7—10; Fuchs, Zeitalter der Reformation, a.a.O. S. 134—141.

96 Das Schreiben siehe: Kohls, Evangelische Bewegung, a.a.O. S. 44—46; der Rat wird in seiner Gesamtheit
angesprochen; möglicherweise sind zu diesem Zeitpunkt alle Ratsmitglieder „christlich" bzw.
Anhänger der reformatorischen Lehre.

97 Mit „ewere kirchen" wird also die Kirchenhoheit des Rates anerkannt.

213


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1977/0215