Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
59. Jahresband.1979
Seite: 59
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1979/0061
Was hier Büß, der mitten in einer sehr schwierigen beruflichen Phase
stand, behindert und angefeindet an der Freiburger Universität, erstmals
analysierte, ist in den folgenden Jahren immer deutlicher in den
Mittelpunkt getreten: die Gefahr einer massenhaften Verarmung, die
angesichts stark wachsender Bevölkerung, angesichts der tiefgreifenden
Veränderungen in der Wirtschaftsstruktur, angesichts der Freisetzungen
im sozialen Gefüge und angesichts unzureichender Tragfähigkeit der
Nahrungsgrundlage zu einer wirklichen Belastung der neuen Gesellschaft
zu werden drohte. Wir nennen dies das Phänomen des Pauperismus
, das meint massenhafte Verarmung.

Büß, der in den dreißiger Jahren sich politisch, kirchenpolitisch und
besonders auch sozialphilosophisch orientierte und sich dann in der
Weise festlegte, wie er Ihnen bekannt ist, stand in einem großen geistigen
Umfeld, das durch mannigfache Kräfte gekennzeichnet war, deren
Auswirkungen auf Büß sehr gut nachgewiesen werden können. Er war ja
überhaupt ein sehr stark rezeptiver Mensch, d. h. ungeheuer aufnahmefähig
, aufgeschlossen, ein reger Kopf, der empfänglich war für ein
Gedankengut, das er in sein eigenes System einbeziehen konnte. Eine
wesentliche Strömung in diesem geistigen Umfeld war in einem Kreis
katholischer Intellektueller faßbar, der sich mit der sog. Sozialen Frage
beschäftigte und aus der Analyse der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen
Zustände der 30er Jahre zu Lösungen der sozialen Probleme
gelangen wollte: sie nahmen die Mobilisierung des Grundeigentums und
die Entbindung der gewerblichen Wirtschaft aus den überkommenen
Verfassungen, d. h. die Einführung der Konkurrenzwirtschaft als
Hauptübel an; diese hätten zur Pervertierung des gesamtgesellschaftlichen
Gefüges geführt; die Bodenbefreiung habe zwar den Bauern freies
Eigentum gebracht, „dafür aber haben sie den Familienverband mit
ihrem Gutsherrn, wie er im Geist des christlichen Mittelalters bestand,
verloren." Mit der Gewerbefreiheit aber sei „die Hierarchie, die innere
Disciplin, die Verfassung der industriellen Classe... zerstört." Diese
Überlegungen sind an einem mittelalterlichen Ständeideal orientiert,
das später auch für Büß noch bestimmend sein sollte. Dazu tritt eine naiv
zu nennende Kapitalismuskritik: Das Grundübel liege demnach in der
Geldwirtschaft mit ihrer widernatürlichen Funktion des Geldes. Und so
erklärt sich für diesen Kreis die Erscheinung der massenhaften
Verarmung aus der verkehrten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen
Entwicklung. Wie kann geholfen werden? Nach Ansicht dieser katholischen
Intellektuellen der 30er Jahre des 19. Jahrhunderts nur mithilfe
einer totalen Sozialreform, die letzten Endes darin bestand, die bestehende
Sozialordnung durch eine christliche Sozialordnung zu ersetzen, oder
anders ausgedrückt: die Heilung der Grundübel jener Zeit könne nur
durch die gesellschaftliche Kraft erfolgen, die der katholischen Kirche

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