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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
59. Jahresband.1979
Seite: 60
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innewohne.1- Während bei dieser Gruppe der abhängige Lohnarbeiter,
„Proletarier" genannt, noch am Rande stand, trat bei anderen katholischen
Gesellschaftsphilosophen diese neue gesellschaftliche Schicht
mehr in den Vordergrund, z. B. bei Franz von Baader, der 1835 nach einem
Besuch des industriell sehr fortgeschrittenen England den Industriearbeiter
als das natürliche Ergebnis der modernen Geld- und Verkehrswirtschaft
bezeichnete: Nach ihm hat diese Wirtschaftsordnung die
Tendenz, wenige Vermögende und zahlreiche Arme zu schaffen.13

In dieses geistige Umfeld ist die 1837 gehaltene Fabrikrede einzuordnen:
Büß ist damit berühmt geworden, weil erstmals in einem deutschen
Parlament soziale Probleme der fabrikarbeitenden Bevölkerung zur
Sprache gebracht worden sind, auch wenn die unmittelbare Resonanz in
der 2. Kammer der badischen Landstände nahezu null gewesen ist. Diese
Anerkennung muß auch weiter bestehen bleiben, obwohl wir seit einigen
Jahren sehr genau wissen, daß die in dieser Rede vorgetragenen
Gedanken, daß auch die Systematik nicht originärer Leistung des jungen
Abgeordneten entsprangen, sondern eine starke Abhängigkeit, besonders
von Robert von Mohl, dem später führenden liberalen Staatswissenschaftler
an der Heidelberger Universität, aufwiesen. Wie gesagt, die
politische Leistung bleibt, da erstmals in einem deutschen Parlament die
soziale Frage artikuliert worden ist und zwar als Arbeiterfrage mit der
Forderung nach Staatshilfe gegen das soziale und moralische Elend des
Fabrikproletariats. Ohne auf die Einzelheiten der Abhängigkeit des
badischen Abgeordneten Büß von Anschauungen anderer einzugehen,
sei soviel ausgeführt: Büß nimmt die wirtschaftliche Entwicklung
zunächst ohne Werturteil und ohne Ablehnung als gegeben hin, zeichnet
die Vorteile des Fabriksystems (Beschäftigung zahlreicher Menschen,
Verbilligung der Produktion, Steigerung des Wohlstands), erkennt
jedoch auch die negativen Seiten (unzureichende Existenzsicherheit des
Lohnarbeiters, gesundheitliche Schädigung, besonders Gefährdung und
Zerstörung der Familie).

„So von allen Seiten zurückgedrängt, genießt der Fabrikarbeiter nicht
einmal eine rechtliche und politische Sicherstellung. Das Fabrikwesen
erzeugt eine Hörigkeit neuer Art. Der Fabrikarbeiter ist der Leibeigene
eines Brotherrn, der ihn als nutzbringendes Werkzeug verbraucht und
abgenützt wegwirft. Es ist hier nicht einmal jene, ursprünglich auf einer
Wechselseitigkeit beruhende, wenngleich oft in der Tat mißbrauchte
Grundhörigkeit des Mittelalters, vor welcher unsere empfindsame Zeit so

12 Vgl. Hugo Ott. Soziale Frage und Arbeiterfrage in der Geschichte der Erzdiözese Freiburg, in: Gestalten und
Ereignisse. (Veröffentlichungen der Katholischen Akademie der Erzdiözese Freiburg). Karlsruhe 1977. 145 ff.

13 Vgl. Clemens Bauer. Wandlungen der sozialphilosophischen Ideenwelt im deutschen Katholizismus des 19.
Jahrhunderts, in: Die Soziale Frage und der Katholizismus. Festschrift zum 40jährigen Jubiläum der Enzyklika
„Rerum Novarum". Paderborn 1931. 11 ff.

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