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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
59. Jahresband.1979
Seite: 74
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1979/0076
Eine wirkliche Macht in Süd- und Mittelbaden stellte die katholische
Partei des Zentrums dar. Gegründet im Winter 1870/71, ging sie davon aus,
daß der religiöse Katholizismus auch politisch werden müsse, um die
gefährdete Macht der Kirche erhalten und stärken zu können. Die
programmatischen Äußerungen der neuen Partei waren vielfach ebenso
schillernd, wie ihr Name „Zentrum" neutral war, wodurch sowohl
konservativ wie demokratisch eingestellte Menschen gewonnen werden
konnten. Überdies hatte das Zentrum - zumindest in der ersten Periode
seiner Entwicklung - stark partikularistische Züge. Demokraten gab es
unter den Führungskräften der Zentrumspartei nur in Südwestdeutschland
; zu diesen Kleriko-Demokraten, wie sie sich gelegentlich nannten,4
gehörte auch der junge katholische Geistliche Heinrich Hansjakob, der
schon Anfang der siebziger Jahre seine ersten politischen Schriften und
Reisebeschreibungen publizierte. Ob er aber schon damals auf seine
Haslacher wirkte oder wie der Prophet im eigenen Lande noch ungehört
blieb, sei dahingestellt. Auch darf man nicht übersehen: Die Kleriko-
Demokraten gingen über allgemeine Sympathien für die Achtundvierziger
kaum hinaus, und nur im Blick auf ihren Kirchenkampf, von den
Liberalen „Kulturkampf genannt, fühlten sie sich gleichgestimmt mit
jenen Badenern, die stolz darauf waren, daß sie einmal gegen die
preußische Vorherrschaft zu rebellieren gewagt hatten. Die demokratischen
Sympathisanten in der Katholischen Kirche traten sicherlich für
die politischen Freiheitsrechte aller (nicht nur der Besitzenden und
Gebildeten) ein, auch für die Volksbewaffnung im gemäßigten Sinne der
Schweiz und damit gegen den preußisch geprägten Militarismus. Weiter
konnten sie kaum gehen, zumal sie in Fragen der sozialen Reform
vielfach einem romantischen, also reaktionären Antikapitalismus verhaftet
waren.

Selbst die aufgeschlossensten Klerikalen konnten das kämpferische
Aufklärertum der kleinbürgerlichen Demokratie von anno 1848/49 beim
besten Willen nicht akzeptieren. Da tauchten Gegensätze auf, die ebenso
ideologisch wie praktisch waren; immer wieder wurde offen oder verdeckt
um die Frage gestritten, wer denn die Schulerziehung beherrschen
solle: die heilsbewußte Kirche oder der religiös neutrale Staat? Auch der
Kleriko-Demokrat führte in den Kämpfen der Zeit den rein religiösen,
nur auf Kultus und Seelsorge bedachten Katholizismus in den politischen
über, mochte er in seinem Klerikalismus auch gemäßigt und nicht
fanatisch, quasi-demokratisch und nicht autokratisch sein. Wir werden
dieser Problematik verschiedentlich begegnen, in der auch die Schulfrage
immer wieder relevant ist. Von ihrem nationalen Verständnis her

4 Vgl. Philipp Wasserburg (hessischer Zentrumsführer) an Ernst Lieber, 9. 9. 1893; zitiert im Artikel ..Zentrum" im
zweibändigen Handbuch ..Die bürgerlichen Parteien in Deutschland*', hrsg. von Dieter Fricke (Jena), Leipzig 1970.
Bd. II, S. 883.

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