Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
59. Jahresband.1979
Seite: 77
(PDF, 62 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1979/0079
war scheel angesehen. Gelegentlich haben Verwandte über solche Fälle
höhnend berichtet. Als der Vater Engelberg seinen Sohn bat, die Wanderzeit
kurz zu unterbrechen, setzte er entschuldigend hinzu: ,,... auch
ist es keine Schande, wenn man schon ein Jahr fort ist, seinem Vater
auszuhelfen."11 Der Sohn durfte nicht als Memme erscheinen.

Sollte die „große Walz" nicht zu früh abgebrochen werden, dann durfte
sie wiederum nicht ins andere Extrem geraten und schier endlos werden.
Alles mit Maß und Ziel: So wie der ewige Student leicht verluderte,
konnte der ewige Walzbruder zum Vagabunden werden, zum Urbild beliebter
Fachtnachtsgestalten, dem gern gespielten „Hamperle". Es war
sicherlich nicht nach dem Geschmack des jungen Engelberg und seinesgleichen
, wenn er in einem Brief eines ihm bekannten Sattlergesellen
über das „Fechten", die Bettelei auf der Wanderschaft, las: „Was das
Walzen anbelangt, so gefiel es mir gar nicht übel, wenn man nur tüchtig
fechten kann. Ich bringe das Fechten fertig, denn mein Kollege war ein
Fechtbruder ersten Ranges und der hat es mich gelernt. In Aachen wären
wir bereits erwischt worden, aber wir konnten noch besser springen als
der Gendarm (oder Butz)." Der Briefschreiber fing sich und wurde ein
tüchtiger Handwerker, aber er ließ hier gewisse Versuchungen aufleuchten
.113

So war die Handwerkerwelt nicht allzu zimperlich; man wußte ja aus
eigener Erfahrung, daß auf der Walz das „Fechten", also das Betteln von
Haus zu Haus, „nicht immer zu umgehen" war, wie Wilhelm Engelberg in
seinem Wandertagebuch12 etwas kleinlaut notierte. Im ganzen aber
erwarteten die alten Handwerker, daß die jungen Burschen in der Fremde
die Augen offen hielten, in ihrem Beruf etwas dazulernten, sich findig
zeigten, sich durchzuschlagen verstanden und - ausharrten. Aus dem
erwähnten Tagebuch erfahren wir manches von der Mühsal, die der oft
ins Ungewisse Wandernde zu ertragen hatte: manchmal traf er es gut,
dann wieder stieß er auf Herzensenge der Meister und Meisterinnen, die
dem fremden und vielfach vorübergehend eingestellten Buchbindergesellen
nur kärgliche Mahlzeiten und primitive Schlafkammern gaben
(vielleicht auch nur geben konnten).

Auf der Wanderschaft, die der kaum 18jährige Wilhelm Engelberg mit
zwei Gesellen aus seinem Städtchen, einem Schneider und einem Bierbrauer
, antrat, nahm er die Richtung: Schweiz, sehr gegen den „Reiseplan
" seines Vaters, der ihn nach Frankfurt schicken wollte, wo in
Anzeigen Buchbinder gesucht wurden. Aber was hieß Sicherheit für

11 StAH. Mappe 3, Brief vom 11. 8. 81.

Ha Brief von Heinrich Sandhas (18. 4. 1881) StAH, Mappe 3. Der Verfasser dieses Aufsatzes hörte als Bub hie und da
Gespräche seines Vaters mit gleichaltrigen Handwerkern, die sich über die Gefahren des überlangen Walzens
durchaus einig waren.

12 StAH, Mappe 3. Ein Notiz-Buch in Lederrücken eingebunden, in Goldschrift: „Reisenotizen", S. 3.

77


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1979/0079