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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
59. Jahresband.1979
Seite: 92
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1979/0094
kleinstes."39 Natürlich antwortete Bebel nicht mit einem offenen Wort
zugunsten einer geheimen Parole. Offensichtlich gab es jedoch für alle
badischen Wahlkreise eine interne Verständigung, denn überall, wo
Stichwahlen notwendig waren, entschieden sich die Sozialdemokraten
für den Zentrumskandidaten gegen militaristische Nationalliberale.

In Haslach wurde die Entscheidung der Sozialdemokraten insofern von
den Zentrumsanhängern nicht honoriert, als sie in einer ihnen nahestehenden
Zeitung gegen Wilhelm Engelberg, auf den Amtsadel seiner
Vorfahren anspielend, den Spottnamen „Baron" lancierten, worauf er
replizierte, er brauche sich ihrer nicht zu schämen, „denn dieselben
erhielten den Adel nicht verliehen, weil sie gut zu raufen und reisende
Kaufleute zu plündern verstanden, sondern weil sie im Fürstentum
Fürstenberg die besten Ärzte waren und als solche dem Volke gute
Dienste geleistet haben."40 In der Tat, dieses Stück Familiengeschichte
wurde stets in intellektuellen und demokratischen Stolz umgemünzt.

Das intellektuelle Interesse und die politische Aktivität Wilhelm
Engelbergs, damit auch seiner unmittelbaren Mitstreiter, bewegte sich
auf dem Boden der Grundforderungen und Grundanschauungen der
,,48er Demokratie". Damit soll nicht gesagt sein, daß ihnen der
Sozialismus gleichgültig gewesen sei. Der mehr im Geiste des Gewerk-
schaftlertums formulierte Satz Eduard Bernsteins, daß ihm das Ziel
nichts und die Bewegung alles sei, war keineswegs in ihrem Sinne. Mit
der schwierigen Dialektik von Weg und Ziel aber, wie sie Marx und
Engels konzipiert hatten, wurden die sozialdemokratischen Kleinbürger,
noch dazu in einer Kleinstadt, nicht fertig. Auch wenn sie am Anfang
jedes parteioffiziellen Handbuchs das Erfurter Programm lasen und
durch Anstreichungen vermerkten, daß die Sozialdemokratie marxistisch
sei, so bewegte sich ihr Sozialismus doch in den nebulosen Höhen
eines abstrakten Moralismus; sie kokettierten gerne mit einem dogmenfreien
und kirchlich möglichst ungebundenen Christentum, etwa nach
der gängigen Redensart, daß Christus in der Jetztzeit Sozialist wäre. So
war ihr Sozialismus weniger Ziel, als moralischer Impuls für die
Betätigung demokratisch-sozialen Gemeinsinns. In diesem Geiste gedachten
auch die Haslacher Sozialdemokraten im Jahre 1898/99 der

39 Kopierbuch, N° 3b. S. 65, StAH.

40 A.a.O., S. 69f. In der Tat, Josef Daniel Alexander von Engelberg, ursprünglich Konstanzer Stadtphysikus, trat Ende
des 18. Jahrhunderts in Fürstl. Fürstenbergische Dienste. Seine beiden Söhne studierten Medizin. Der eine. Josef
Meinrad Anton wurde Großherzog, bad. Medizinalrat und Fürstl. Fürstenbergscher Leibarzt. Seine Nachkommen
machten ihre Karriere in Staat und Wirtschaft, bis in den Dyckerhoff-Konzern hinein. Der andere Sohn Alexanders:
Johann Baptist v.E., wurde Landschaftsphysikus zu Haslach im Kinzigtal. Die Kriegszüge durch das Kinzigtal Ende
des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts brachten manche Verheerungen. Joh. Baptist v.E. klagte in Eingaben an die
Domänenkammer immer wieder über unregelmäßige oder unvollständige Lieferung der Futter- und Strohrationen für
das Dienstpferd. Das erschwerte in hohem Maße seine ärztliche Arbeit in den Dörfern und Tälern. (Akten En 12 des
Fürstl. Fürstenbergschen Archiv zu Donaueschingen.) Den Strapazen war er auf die Dauer nicht gewachsen; er
siechte an Lungenschwindsucht dahin und starb verarmt. Wilhelm Engelberg war der Urenkel von Joh. Baptist v. E.

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