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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
59. Jahresband.1979
Seite: 96
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Schlosser, Zuschläger, in die sozialdemokratische Partei ein. Das
bezeugen die Aufnahmescheine, die übrigens von Wilhelm Engelberg
ausgefüllt und von den Bewerbern nur unterschrieben worden waren.4'
Die soziale Zusammensetzung in der Haslacher Lokalorganisation
veränderte sich derart, daß Spannungen schier unvermeidlich wurden:
da waren auf der einen Seite die bisherigen Mitglieder, Handwerksmeister
und Geschäftsleute, alteingesessen und deshalb auf ihre Kenntnisse
der heimischen Verhältnisse pochend, nicht zuletzt darauf, daß sie schon
zur Zeit der Bismarckschen Verfolgung Sozialdemokraten waren und bei
den Reichstagswahlen in Haslach, verglichen mit anderen Städtchen im
Kinzigtal, eine relativ hohe Stimmenzahl für die Sozialdemokratie
erreichten. Wilhelm Engelberg selbst, der 1898 bei einer Ergänzungswahl
in den Bürgerausschuß gewählt worden war, konnte auf kommunalpolitische
Erfolge hinweisen.44

Auf der andern Seite konnten die neuen proletarischen Mitglieder, meist
Zugewanderte im Alter von 20 bis höchstens 30 Jahren und manchmal
noch in Untermiete wohnend, ähnliche Erfahrungen und Erfolge im
allgemeinen und kommunalen Bereich nicht aufweisen. Diese Arbeiter,
in einem modernen Industriebetrieb tätig, hörten auf diejenigen Wortführer
, die mehr als bisher proletarische Elemente im Vorstand der
Lokalorganisation verlangten; dabei waren diese Wortführer gar nicht in
der Industrie, sondern im Kleingewerbe beschäftigt.

Gegenseitige Vorwürfe vergifteten die Atmosphäre. Die einen sprachen
von den „bürgerlichen Parteigenossen", die anderen von den
„Schreiern" und „Heißspornen". Tatsächlich stieß kleinbürgerlichdemokratische
Ideologie auf Überradikalismus, hauptsächlich aber auf
einen Trade-Unionismus, der nur die unmittelbaren Tagesinteressen des
Proletariats verfolgte, sonst nicht - ohne Blick auf die Entwicklung der
Gesamtgesellschaft in Vergangenheit, Gegenwart und möglicher Zukunft
. Unter diesem Gesichtspunkt kann man es nicht ohne weiteres als
fades Moralisieren abtun, wenn Wilhelm Engelberg die Befürchtung
aussprach, die Partei könnte „im krassesten Materialismus und der
Selbstsucht versumpfen".45 Doch irrte er fundamental, als er erklärte:
„Wenn man wirkliche Proletarier finden will, so darf man jetzt nicht
mehr in den Städten unter den Industriearbeitern suchen, sondern auf
dem Lande unter den Kleinbauern, Tagelöhnern und Handwerkern."46

43 StAH, Mappe 6.

44 Er war maßgeblich daran beteiligt, daß das Elektrizitätswerk aus privater in städtische Hand überging; auch wenn es
ihm und seinen sozialdemokratischen Freunden nicht gelang, die Kleinkinderschule aus kirchlicher in städtische
Obhut zu bringen, so wurde die Kindererziehung Gegenstand öffentlicher Diskussion, in der die Friedrich-Fröbel-
Kindergärten eine große Rolle spielten. W.E. hat jedoch alles getan, damit der Kampf um eine städtische, sozusagen
laizistische Kleinkinderschule zu keinem Kesseltreiben gegen die katholischen Schwestern wird, für deren
aufopferungsvolle Arbeit, hauptsächlich im Dienste der Krankenpflege, er stets höchsten Respekt hatte. Vgl. sein
Schreiben an die Oberschwester vom 25. März 1901, Kopierbuch N» 2, S. 123 ff., StAH.

45 Aus einer Rededisposition, StAH. Mappe 6.

46 Ebda.

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