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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
59. Jahresband.1979
Seite: 101
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1979/0103
Tageszeitung zu gründen, da wurde ein künstlicher Sturm der Entrüstung
ob eines solch angeblich beleidigenden Ausdrucks entfacht.57
Außerhalb des Städtchens ging es besonders hoch her; es versteht sich,
daß von den Kanzeln herab Mahnungen zugunsten des endlich, endlich
erscheinenden grundkatholischen Blattes, eben der „Kinzigtäler Nachrichten
", auf die Gläubigen herniedergingen.

Viele Bauern wurden in Gewissenskonflikte gestürzt: Sie konnten in der
„Schwarzwälder Volksstimme" beim besten Willen nichts Religionsfeindliches
entdecken und den Wilhelm Engelberg, den Schwiegersohn
vom Aiple-Franz, auch nicht als bösen Mann ansehen; aber es erschien
für sie schwer, schier unmöglich, gegen den Willen der offiziellen Kirche
das verpönte „Blättle" weiter zu halten. Die Bauern konnten zwar den
Lahrer „Hinkenden Boten" vom protestantischen Schauenburg-Verlag,
in dem seinerzeit Wilhelm Busch den antiklerikalen „Heiligen Antonius
von Padua" veröffentlicht hatte, verbotswidrig kaufen und zu Hause in
der Tischschublade verschwinden lassen, aber die „Schwarzwälder
Volksstimme" konnten sie nicht heimlich bestellen. Abwechselnd
Bestellungen und Abbestellungen, Wiederbestellungen und Wiederabbestellungen
bildeten eine Zeitlang ein neckisches Spiel. So waren die
Bauern hin- und hergerissen, umsomehr, als in der Öffentlichkeit nicht
unbekannt blieb, daß Heinrich Hansjakob, der katholische Pfarrer und
Volksschriftsteller, das klerikale Treiben mißbilligte, nicht zuletzt aus
Opposition gegen das Bündnis der Zentrumspartei mit ihrem früheren
Gegner, der Nationalliberalen Partei, die sich auf dem Boden des
Militarismus und Antisozialismus immer wieder einigten.58 Hansjakob
hatte zwar keine kirchliche Amtsgewalt in und um Haslach, war beim
erzbischöflichen Ordinariat in Freiburg sogar „persona non grata" und
gerade damals, 1912, vom Karlsruher Zentrumsorgan, dem „Badischen
Beobachter", Objekt mehrmaliger Angriffe59 - aber seine moralische
Autorität war nun einmal nicht umzustürzen. Zweifellos trug das dazu
bei, daß auch in den Dörfern und Tälern ein Stamm treuer Abonnenten
der „Schwarzwälder Volksstimme" verblieb.

Das Renomme der Zeitung wurde auch gestärkt durch die erfolgreiche
Tätigkeit Wilhelm Engelbergs als Kommunalpolitiker, der gerade in
jener Zeit alles tat, um ein Wahlbündnis zwischen der „Fortschrittlichen
Volkspartei" (oder, wie es in Haslach hieß, dem Demokraten-Verein) und

57 Vgl. „Schwarzwälder Volksstimme" am 6. 9., 13. 9., 15. 9., 20. 9., 29. 9. und 10. 10. 1913. „Kinzigtäler Nachrichten" am
6. 9. 1913.

58 Vgl. Pfarrer Heinrich Hansjakob an Adolf Geck, 18. II. 1913: „Was sagen Sie von der bürgerlichen Presse, die
einschließlich der Frankfurter Zeitung kein Wort der Opposition findet gegen die neuen Forderungen des
Militarismus? Wenn ich Sozialdemokrat wäre, würde ich mich freuen, daß der Militarismus immer mehr Opfer
verlangt, während der internationale Großkapitalismus die Völker auswürgt." (zitiert nach einer Abschrift von
Julius Engelberg, Original im Generallandesarchiv in Karlsruhe). StAH, Mappe 5, vgl. auch GLA 69 N 1. Nr. 963.
Blatt 11.

59 Vgl. Heinrich Hansjakob, Allerlei Leute und allerlei Gedanken. Tagebuchblätter. Stuttgart 1913. S. 100 ff.

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