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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
59. Jahresband.1979
Seite: 104
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danach ging es darum, die ersten Verwundeten zu empfangen und Notlazarette
einzurichten. Und auf den Spaziergängen mit seiner Frau in der
dörflichen Umgebung begegnete Engelberg schon Ende August besorgten
Menschen. Darüber konnte er nicht in seiner Zeitung berichten, aber
er vertraute diese Erlebnisse seinen Tagebuchnotizen unter dem
21. August 1914 an:65 „In Schnellingen trafen wir den Landwirt Krämer
im Gespräch mit einer Frau Allgeier, welch letztere ihren Mann ins Feld
ziehen lassen mußte. Ersterer hat einen Sohn dabei. Ich tröstete die
beiden, welche weinten, so gut ich konnte und sagte ihnen, wenn der
Krieg zu Ende sei, müßte der Krieg dem Kriege geschworen werden, denn
der Krieg sei noch eine Einrichtung, die nicht mehr für gesittete Völker
des 20. Jahrhunderts passe."

Aber der Völkerverhetzer gab es, gerade in den ersten Wochen und
Monaten des Krieges, noch genug. Nachdem die „Schwarzwälder
Volksstimme" gegen diejenigen opponiert hatte, die einen Rachefeldzug
gegen das ganze serbische Volk wie gegen ein Volk von Fürstenmördern
forderten und dabei auch noch Gottes Hilfe anriefen, da ließ das
Zentrumsorgan „Die Kinzigtäler Nachrichten" einen aggressiven Artikel
unter der Überschrift „Das Haslacher Serbenblatt" los.66 Damit war
das Stichwort für eine üble Stimmungsmache gegeben. In die Redaktionsstube
der „Schwarzwälder Volksstimme" brachte der Postbote eine
erkleckliche Zahl von anonymen Droh- und Schmähbriefen. Aber der
neue Feldzug der Rufmörder fand noch ein rascheres und kläglicheres
Ende als jener erste zur Zeit der Konkurrenzgründung vor dem Kriege.
Kummer, Not und Zweifel nahmen allenthalben bei den Menschen so
überhand, daß pseudonationales Gekeife wirkungslos verhallte. Selbst
der Zentrumsführer Fidel Falk lenkte in persönlichen Gesprächen, wie
Engelberg notierte, wohl doch etwas beschämt ein.

Die Tagebuchnotizen,67 die der Redakteur und das Gemeinderatsmitglied
Engelberg aus seinem jeweiligen Erfahrungsbereich niederschrieb,
geben in ihrer Gesamtheit gerade wegen der Nüchternheit der Angaben
ein unheilvoll wirkendes, bedrückend anschauliches Bild von der immer
prekärer werdenden Lebensmittelknappheit, der Teuerung, Hamsterei
und Spekulation in einem Städtchen, das sogar eine ländliche Umgebung
hat. Man spürt förmlich die Verwunderung des Schreibers, als er eines
Morgens in aller Frühe zum ersten Male eine Schlange von Hausfrauen
vor dem Lebensmittelgeschäft seiner unmittelbaren Nachbarschaft, dem
„Katze-Krämer", bemerkt. Das war ein Erlebnis, das er bis dahin noch
nicht einmal in seiner Einbildungskraft hatte. Derartige Bilder hatte er
nur in alten Illustrierten über die Hungermonate während der Pariser

65 StAH, Mappe 2.

66 „Kinzigtäler Nachrichten" am 30. 7. 1914.

67 StAH, Mappe 1 und 2.

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