Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
59. Jahresband.1979
Seite: 105
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Belagerung von 1870/71 gefunden. So gab er eines Tages seinem Bericht
über die katastrophale Milchversorgung, die „eine kleine Revolution,
besonders unter den Hausmüttern" hervorrief, den Titel: „Der Krieg
hinter der Front". Das war alles so fein säuberlich geschrieben, daß es
nur in die Setzerei zu gehen brauchte, aber die Kriegszensur erlaubte dies
ja doch nicht!

Wie sich die materielle Not verschlimmerte, so nahm auch die seelische
der Menschen zu: Gefallenennachrichten; Transporte an die Front;
Schwerverwundete; Erzählungen von Fronturlaubern; Ängste vor möglichen
Bombardements, vielleicht auf das Haslacher Stahlwerk Haiss; ein
Jagdfliegerkampf fast über dem Städtchen und der Absturz eines
brennenden Flugzeugs; dumpfes Kanonengrollen, das während der
Kämpfe am Hartmannsweilerkopf auf den Berghöhen bei Haslach
beklemmend deutlich zu hören war und vom Sterben der Menschen und
Verwüsten der Natur kündete. So war die Wahrheit der Schillerschen
Worte, an die Engelberg mitten im Taumel der ersten Augusttage
erinnerte, mit allen Sinnen wahrzunehmen: „Ein furchtbar wütend
Schrecknis ist der Krieg."

Als dann der Sohn Julius als Gebirgsjäger an die Front beordert wurde,
war Vater Engelberg wie Millionen Väter, Mütter, Frauen, Bräute,
Brüder und Schwestern von der bangen Frage geängstigt: „Wird er Glück
haben und gesund zurückkehren? Ist ihm Verwundung oder gar Tod
beschieden?" Doch über die persönlichen Sorgen hinaus war Engelberg
erfüllt von allgemeinem, grundsätzlichem Ingrimm gegen den Krieg
überhaupt. Am 11. Juli 1916 schrieb er in seine Tagebuchblätter: „So hat
man nun einen weiteren Kummer, der einen bedrückt. Im Zeitalter der
.Bildung und Humanität' zieht man seine Söhne auf, läßt sie zu rechten
Menschen erziehen, und wenn sie 20 Jahre oder nicht einmal so alt sind,
kommt der ,Vater Staat' und stellt sie in Reih und Glied als Kanonenfutter
, weil das Volk noch nicht die Macht hat, zu verlangen, daß man seine
berufenen Vertreter in den Parlamenten befragt bei Staatskonflikten, ob
es die Streitfrage kriegerisch oder friedlich-schiedlich gelöst haben will."
Der Tagebuchschreiber ist empört, daß sich menschlicher Erfindungsgeist
auf „Mordmaschinen" und „Vernichtungsmittel" konzentriert, daß
„die gerechten und braven und unschuldigen Menschen (999 von 1000)
büßen müssen und die Anstifter es sich wohl sein lassen".

Sicherlich: Wilhelm Engelberg hat die sozial-ökonomische Dynamik des
Kriegsentstehens und -geschehens nicht erfaßt; unverkennbar sind
jedoch der urdemokratische Haß und der sozialethische Antrieb, die in
diesen Worten der Selbstverständigung zum Ausdruck kommen. Was er
niederschrieb, das konnte er zwar nicht in seiner Zeitung abdrucken,

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