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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
59. Jahresband.1979
Seite: 196
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1979/0198
Die Manufaktur

Um eine nutzbringende Verwendung der noch verfügbaren Teile der
Klostergebäude und der Gärten war der neue Eigentümer nicht verlegen.
Schon vor der endgültigen Säkularisation des Hospizes müssen vom
Fürsten Verhandlungen mit einem auswärtigen Interessenten aufgenommen
und Vereinbarungen getroffen worden sein. Denn am 30. November
1813 gewährte er dem Stuttgarter Unternehmer Christian Kylius ein
Privilegium exclusivum auf zehn Jahre zur Betreibung einer zunft- und
abgabenfreien Textilmanufaktur15 und Färberei in der Grafschaft
Hohengeroldseck. Die Zulassung eines anderen Betriebs dieser Art war
somit während dieser Zeit ausgeschlossen. Die Erteilung eines solchen
Vorrechts, das jegliche Konkurrenz in dem besagten Gebiet ausschaltete
und das begünstigte Unternehmen unter den ausdrücklichen Schutz des
Landesherrn stellte, wenn auch ohne dessen finanzielle Beteiligung, war
zu dieser Zeit in den süddeutschen Staaten, wo die liberalen Ideen der
französischen Physiokraten und des britischen Nationalökonomen
Adam Smith und seiner Anhänger Eingang in die Kameralistik und
Jurisprudenz und damit in den Beamtenstand gefunden hatten, keine
Selbstverständlichkeit mehr. Baden zum Beispiel lehnte die Privilegisie-
rung und Monopolisierung strikt ab, weil andernfalls der Gewerbefleiß
sonstiger Staatsangehöriger gelähmt und auch die Arbeiterschaft allzu
sehr einzelnen Unternehmern ausgeliefert zu werden drohten. Im
übrigen sah die Staatsbürokratie die liberalen Prinzipien der Konstitutionsedikte
von 1808 und der folgenden Jahre gefährdet. Privilegia
exclusiva wurden gemeinhin nur noch im Rahmen eines besonderen
Gnadenakts des Großherzogs oder, wenn es die Einführung neuer
Erfindungen oder Techniken zu fördern galt, gewährt.16 Von der Leyen
wird jedoch die Ansiedlung einer solchen Industrie unter anderen
Bedingungen nicht erreicht und einen ernsthaften Interessenten nicht
gefunden haben. Nach den damaligen Verhältnissen war das Tal nicht
leicht zugänglich, der Rhein und die großen Handelsstraßen ein ganzes
Stück weit weg. Arbeitskräfte und auch Wasserkraft waren ausreichend

15 Inden Akten von 1813 1819 ist durchweg von der Manufaktur oder dem Handelshaus Langsdorf! & Co. zu Seelbach die
Rede. Später, vor allem nach der Expansion unter Kesselmeyer tritt mitunter die Bezeichnung „Fabrik" und
„Fabriketablissement" hinzu. Der Verfasser hält sich im vorliegenden Beitrag an die seinerzeit vorwiegend
gebrauchte Bezeichnung „Manufaktur". Eine scharfe Unterscheidung zwischen beiden Begriffen fand bei den
Zeitgenossen nicht statt. Geht man davon aus. daß unter der Manufaktur ein zentralisierter, arbeitsteiliger,
unzünftiger Großbetrieb ohne starke Mechanisierung oder gar Motorisierung zu verstehen ist, so wird das Seelbacher
Unternehmen damit nicht falsch bezeichnet sein (vgl. zu dieser Frage Fischer, Staat und Industrialisierung in Baden.
S. 27 ff.). Fabrikmäßigen Charakter hatte schon eher die neuerbaute Schutterfabrik, wo Wasserkraft in großem
Umfang zum Antrieb der Maschinen eingesetzt worden zu sein scheint, was ja im Kloster nicht möglich war.
Wasserdampf benutzte Kesselmeyer nach den Akten nur zum Heizen und Trocknen der Textilien.

16 Die Gewährung von Privilegien bzw. die Verlängerung überkommener verbriefter Vorrechte über das Jahr 1808
hinaus gehörte zu den schwierigsten Fragen des badischen Gewerberechts überhaupt. Die Regierung beschränkte sich
in zunehmendem Maße auf die Erteilung von Konzessionen, wobei Ausländer im allgemeinen nicht schlechter gestellt
waren als Inländer, wenn sie Vermögen nachweisen konnten und die entsprechende Befähigung vermuten ließen - vgl.
auch Fischer, S. 34 ff.

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