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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
60. Jahresband.1980
Seite: 135
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ein Vorwurf, der auch heute noch nicht verstummt ist. Angesichts der territorialen
Zersplitterung gab es in Deutschland gar viele Vaterländer, und schon
das benachbarte deutsche Territorium galt nicht nur der jeweiligen Obrigkeit
als Ausland. „Und doch scheint die Liebe zum Vaterlande unter den Deutschen
mit der wachsenden Kultur eher ab- als zuzunehmen. Der Brandenburger
sieht den Österreicher, der Sachse den Schwaben, der Hannoveraner den
Pfälzer, der Bayer den Franken etc. so lieblos und gleichgültig an, als wären
sie durch Länder und Meere getrennt", schrieb Schubart am 27.12.1791 in seiner
„Chronik". Auch im Hanauerland wußte man während der Kriege ein
Lied davon zu singen, hausten doch jeweils kaiserliche oder Reichstruppen
gleichermaßen im Lande wie die Franzosen. Ein deutsches Nationalbewußtsein
bildete sich ja erst allmählich unter der Herrschaft und nach dem Sturz
Napoleons heraus.

Für Schulmeister bedurfte es auch gewiß nicht der von Harsany erwähnten
Kontakte mit Napoleon oder Savary, um sich als „guter Franzose" zu betrachten
, was immer man auch darunter verstehen mag. Der Hinweis auf Napoleon
scheint mir um so weniger angebracht, als gerade dieser noch als junger
frz. Offizier von glühendem korsischen Patriotismus beseelt war. In seinem
brennenden Ehrgeiz wurde Frankreich erst dann sein Vaterland, als die
französische Revolution ihm die große Chance des sozialen Aufstiegs bot.

Mit all seinen bürgerlichen Errungenschaften der Revolution wurde dieses
Land auch zur Wahlheimat vieler Deutschen, nicht zuletzt und gerade auch
für einen Kaufmann wie Schulmeister, der sicherlich den Artikel 355 der Direktorialverfassung
vom 22.8.1795 zu schätzen wußte: „Es gibt weder Privilegien
, noch Meisterschaft, noch Zunft, noch Innung der Handwerker, noch
Einschränkung der Pressefreiheit, des Handels und der Ausübung der Ge-
werbsamkeit und der Künste aller Art".23 Er kam als Händler weit herum und
kannte die bedrückenden Verhältnisse in Deutschland. Als dynamische Persönlichkeit
war er nicht gesonnen, die Verhältnisse tatenlos hinzunehmen,
sondern sie revolutionär zu verändern. Auch im Hanauerland hatte man den
Ausbruch der frz. Revolution begrüßt, und bei den damaligen Unruhen zerstörten
Freistetter Burschen am 22.8.1789 das Anwesen des Fiskals Jenser in
Bischofsheim. Es erscheint durchaus möglich, daß Schulmeister aus Sympathie
für das republikanische Frankreich den frz. Truppen 1794 und 1795 beim
Rheinübergang als Führer und Kundschafter diente.24 Wollte er sich 1797 aktiv
an Umsturzplänen in Deutschland beteiligen, mußte er sich vor einer Verfolgung
und Repressalien schützen und sein Vermögen in Sicherheit bringen.
Auch unter diesem Gesichtspunkt erscheinen seine Übersiedlung nach Straßburg
und Bitte an die Stadtverwaltung, wegen der Eintreibung seines Darle-

23 Walter Grab, Die Französische Revolution. Eine Dokumentation, 1973, S. 275.

24 Alexander Elmer, Napoleons Leibspion Karl Ludwig Schulmeister, 1931, S. 12.

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