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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
60. Jahresband.1980
Seite: 166
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den. Durch die Aufhebung des Stifts wurde dieses Dienst-Schutz-Verhältnis
jäh zerrissen, ohne daß die Landesherrschaft einen gleichwertigen Ersatz
schuf. Die Wälder kamen in die Verwaltung des Forstetats, die übrigen Liegenschaften
in die des Domänenetats, die den Klosterleuten keine neuen Verdienstmöglichkeiten
bieten konnten. Zwar sorgte der Staat für einen Pfarrer
und eine Volksschule, verabreichte jährlich ein Brennholzgratiale und eine
Unterstützung für die Erwerbsunfähigen, die dieselben aber kaum „vor dem
Hungertod schützen" konnte, bewilligte einen günstigen Haus- und Pachtzins
für die umliegenden Felder, konnte aber auch in späteren Zeiten ausreichende
Arbeit nicht verschaffen. „Die oekonomischen Verhältnisse der Colonisten
kamen unter diesen Umständen bis aufs Tiefste herab und fast noch tiefer ihr
moralischer Zustand". Daß eine solche gesellschaftliche Randgruppe durch
Hunger- und Teuerungszeiten besonders stark in Mitleidenschaft gezogen
wurde, braucht nicht besonders hervorgehoben zu werden. So sah sich 1817
sogar der Schütterer Exabt Placidus Bacheberle in Freiburg veranlaßt, bei der
Regierung zu intervenieren.

Die Lokalbehörden erkannten frühzeitig, daß die Gemeinde in ihrer Abgeschiedenheit
alle Voraussetzungen hatte, mit den Jahren in eine Ansammlung
von Bettlern, Dieben und Streunern auszuarten, wozu der Zuzug von draußen
kam. Es half nichts, daß die Kolonie einen Vorsteher erhielt. Joseph Sartori,
der ehemalige Klosterkoch, der dieses Amt innehatte, und weitere Familienhäupter
, so ein Metzger, Bader, Zimmermann, Steinhauer, Ziegler, Weber,
Schneider, Schuster, der Engelwirt und andere sahen sich wegen der materiellen
Notlage außerstande, die eintretende Entwicklung zu hemmen. Schon
1810 war die Auflösung geplant, was jedoch auf enorme Schwierigkeiten
stieß. Das Staatsärar hätte gegebenenfalls die Holzberechtigung ablösen und
die Kolonisten in benachbarten Gemeinden, die sich dagegen heftig sträubten,
einkaufen müssen. Der Gesamtaufwand wurde auf rund 20.000 fl veranschlagt
. So schleppte sich die Angelegenheit etliche Jahre dahin. Eingaben an
die Regierung in Karlsruhe um Hilfe blieben ohne nennenswertes Echo.

Bis 1820 war die Gemeinschaft auf 30 Familien mit 140 Köpfen
angewachsen.21 Die meisten Frauen hatten drei bis vier uneheliche Kinder, und
die Zustände änderten sich auch im folgenden Jahrzehnt nicht. Innerhalb der
Staatsbürokratie wurden verschiedene Lösungsmöglichkeiten erörtert, so die,
den Kolonisten die unverkäuflichen Stiftsgebäude gänzlich zu überlassen und
ihnen die Pachtfelder um eine geringe Summe zu übereignen, wenn diese nur
weiterhin bewirtschaftet würden. Die Befürworter einer Aufhebung der Siedlung
setzten sich schließlich durch, da der Druck seitens der Bevölkerung des
Amtsbezirks Emmendingen und die Gefahr, daß die Kolonie weiter anschwoll
, zunahmen. Auch hoffte der Staat, langfristig zu sparen, denn er ver-

21 Laut Bittschrift des zeitweiligen Pfarrers von Tennenbach Ambros Michel, eines Hxbenedik-
tiners von Schuttern, an den Großherzog vom 27. April 1819 — GLA 391/38567.

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