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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
60. Jahresband.1980
Seite: 266
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1980/0268
Der Kinderreichtum der jüdischen Familien war innerhalb eines halben Jahrhunderts
drastisch zurückgegangen: keine unter den Gewährspersonen hatte
mehr als 1 oder 2 Geschwister; wie die geringe Zahl der jüdischen Volksschüler
bestätigt (siehe S. 268 f). war dies der allgemeine Zustand. Dagegen sind in
den vorangegangenen Generationen stattliche Kinderzahlen zu vermerken:
„Mein Vater hatte 6 Brüder"; „die Familie meines Vaters bestand aus 17 Kindern
!"

Auch die Kinderzahl der befragten Generation ist gering. Nicht wenige unternahmen
den Sprung zum Akademiker unter schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen
. Heirat und Familiengründung wurden zurückgestellt.

Sprache

Im allgemeinen sprachen die südwestdeutschen Juden den Dialekt der jeweiligen
Gegend, in den sie jüdische Ausdrücke einflochten. So war es auch in
Nonnenweier: Die Juden sprachen Badisch, vermischt mit einzelnen jüdischen
Worten, z.B. Namen, wie oben „Duvedles" und in der Handelssprache. In einer
jüdischen Familie galt die Regel: „keine Ausdrücke benutzen in Gegenwart
Dritter, welche diese nicht verstehen". Die nichtjüdische Bevölkerung
von Nonnenweier kannte jedoch viele jüdische Ausdrücke, ja zum Teil wurden
diese von Nichtjuden mehr verwendet als von den Juden selbst. Eine Anekdote
:

„Wir hatten bereits früh ein Telephon im Haus. Als Kind hatte ich mir das Bein vertreten und
mußte im Wohnzimmer auf dem Sofa liegen. Eine christliche Nachbarin, die zum Telephonieren
kam und mich daliegen sah, meinte: .Maidle, bisch utzel?', d.h. faul."

Viele jüdische Ausdrücke sind in die deutsche Sprache eingegangen. Das Wort
„meschugge", verrückt, wurde viel benutzt, „betucht", reich, ist jüdischen
Ursprungs, ebenso „mechulle", bankrott. Beim Handel wurden jüdische
Zahlen verwendet, auch von Nichtjuden.

Schulzeit

Es gab in Nonnenweier keine israelitische Schule mehr. Die jüdischen Kinder
besuchten zunächst zum Teil den evangelischen Kindergarten und anschließend
die gemischt-religiöse Volksschule. Vor dem 1. Weltkrieg waren schätzungsweise
noch 10—20 jüdische Kinder in der Volksschule. In den unteren
Klassen unterrichtete Lehrer Nathan Schleicher, bis er 1922 infolge des Abbaugesetzes
in den einstweiligen Ruhestand versetzt wurde.23

Die Beziehungen zwischen allen Kindern, christlichen und jüdischen, waren
„ganz normal". Auch außerhalb der Schule spielten Kinder beider Konfessionen
zusammen:

23 vgl. Iwan Meyer, a.a.O. S. 27

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