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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
60. Jahresband.1980
Seite: 267
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„Zu mir ins Elternhaus kamen jeden Tag mehr christliche als jüdische Kinder." — „Ich hatte jüdische
und christliche Schulfreundinnen, mit denen ich viel zusammen war, auch außerhalb der
Schule."

Versteckspiele und Soldatenspiele waren üblich. Außer an Purim, dem Losfest
, und an Chanukkah, dem Lichterfest (siehe unten, S. 292 und 291), hatten
die jüdischen Kinder keine besonderen Spiele.

Viele jüdische Kinder gingen im Anschluß an die Volksschule nach Lahr ins
gemischt-religiöse Gymnasium oder besuchten dort eine berufsbezogene Schule
, z.B. die Frauenarbeitsschule. Bauernkinder besuchten dagegen kaum das
Gymnasium. Die wenigen Christenkinder, die im gleichen Zeitraum eine höhere
Schulbildung genossen, stammten nicht aus bäuerlichen Familien.24

Der Schulweg war sehr mühsam, vor allem bei schlechtem Wetter. Jeden Morgen
, im Sommer wie im Winter, mußten die Kinder um 5 Uhr aufstehen. Die
Familie war noch nicht auf. Von Haus zu Haus sammelten sie sich. Zu Fuß
ging das Trüppchen nach dem 1/2 Stunde entfernten Allmannsweier, der
nächstgelegenen Bahnstation, im Winter mit Laternen. Von dort aus fuhren
sie mit der „Bimmelbahn" nach Lahr, wo sie um 7 Uhr ankamen. Im Gymnasium
gab es ein Zimmer für die Auswärtigen, wo sie sich bis zum Beginn des
Unterrichts aufhalten konnten.

Die meisten jüdischen Kinder machten den Schulweg auch am Freitag abend
und am Samstag mit der Bahn. Nur einige wenige Schüler aus sehr frommen
Familien blieben am Freitag abend in Lahr und gingen am Sabbat nach der
Schule zu Fuß nach Nonnenweier zurück (siehe unten S. 283).

Religionsunterricht für die jüdischen Schüler gab der Kantor und Hauptlehrer
Nathan Schleicher, auch für die Realschüler und Gymnasiasten, bis ein Religionslehrer
in Lahr, dessen Stellung wegen Mangel an Schülern gefährdet war,
die Nonnenweierer Judenkinder für sich beanspruchte. Solange Lehrer Schleicher
noch in der Volksschule unterrichtete, konnte er für den Religionsunterricht
ein Klassenzimmer benutzen. Nach seiner Pensionierung als Schullehrer
im Jahre 1922 fand der Unterricht in seiner Wohnung statt.

Im Religionsunterricht lernten die jüdischen Kinder biblische Geschichte, hebräisch
lesen und übersetzen; geschrieben wurde wenig. Mit der Zeit war Lehrer
Schleicher jedoch „schon sehr alt" und „verstand es nicht mehr, den Kindern
die Religion nahezubringen", so daß diese für ihre religiöse Erziehung
letztlich auf die Familie angewiesen waren.

24 Es wurden keine systematischen Auswertungen aller Schulabgänge im Untersuchungszeitraum
1900—1933 gemacht. Die Klasse der 1901 Geborenen zählte ca. 40 Schüler: 35 Christenkinder
und 5 Judenkinder. Keines der 35 Christenkinder ging aufs Gymnasium, dagegen
2 von 5 Judenkindern. Zu diesen kam einige Jahre später ein christlicher Junge in die Klasse,
der aus Freiburg nach Nonnenweier zugezogen war.

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