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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
60. Jahresband.1980
Seite: 278
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an Pessach brachten die jüdischen Kinder den christlichen Bekannten ihrer
Familie Mazzen, ungesäuerte Brote;

an Ostern durften die Kinder bei ihren christlichen Kameraden in deren Garten
Ostereier suchen;

zur Bar Mitzwah kamen auch christliche Buben ins Haus und brachten Geschenke
;

bei Beerdigungen jüdischer Einwohner gingen meistens auch Christen im Leichenzug
mit.

Im Zusammenleben von Juden und Christen zeichnen sich drei deutlich verschiedene
Ebenen ab:

die Ebene des Miteinander, der Integration: diese basiert auf persönlichen
zwischenmenschlichen Beziehungen freundschaftlicher Natur und äußert sich
konkret im Austausch von Gütern und Hilfeleistungen aller Art;

die Ebene der Komplementarität in den wirtschaftlichen Beziehungen: Händler
einerseits, Bauern andererseits; jüdische Arbeitgeber und christliche Arbeitnehmer
;

die Ebene der Koexistenz zweier Religionsgemeinschaften: kommt zum Ausdruck
in der Trennung der beiden Gruppen, welche nur durch ritualisierte
Öffnungen nach der anderen Seite durchbrochen wird.

In der Religionsausübung ist die „Trennung" der beiden Gruppen somit die
Regel, das „Teilhaben" an den Praktiken der anderen Gruppe die Ausnahme,
durch welche die Regel nur bestätigt wird: „Gerade die Durchbrechungen von
Schranken beweisen ihr Vorhandensein."44

Vom „Miteinander" ist nicht die Allgemeinheit, d.h. alle Mitglieder der ländlichen
Gemeinde, betroffen: es handelt sich um Beziehungen zwischen einzelnen
Individuen und Familien.

Die Komplementarität im Wirtschaftsleben wurde, wie aus den hier nicht wiedergegebenen
Gesprächen mit den christlichen Gewährspersonen noch deutlicher
hervorgeht, von beiden Seiten positiv. Juden und Nichtjuden hatten ihren
Vorteil davon. Ihrer Tüchtigkeit im Handel und dem daraus resultierenden
wirtschaftlichen Erfolg verdankten die Juden ein Großteil ihres sozialen Ansehens
in der Dorfgemeinde. An diesen, die dörfliche Gesamtgemeinde betreffenden
Beziehungen setzte der rassische Antisemitismus an, indem er sie als
einseitige Ausbeutung der einen Gruppe durch die andere brandmarkte. Er
konnte dabei auf ein „beim Landvolk" latent vorhandenes Negativ-Stereotyp

44 Utz Jeggle, a.a.O. S. 271
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