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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
60. Jahresband.1980
Seite: 280
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Die ältere Generation hingegen empfand sich als „deutsche Staatsbürger jüdischen
Glaubens", wie dies in der Bezeichnung des Centraivereins zum Ausdruck
kam:

„Mein Vater konnte es nicht begreifen, warum sein Sohn nach Palästina wollte, obwohl er doch
in jedem Gebet um den Aufbau und die Rückkehr nach Jerusalem betete."

1933 veranlaßte die Machtergreifung Hitlers viele unter der jungen Generation
, nach Israel50 auszuwandern, während die Älteren zunächst zum Teil an
dem Ort zurückblieben, der ihnen Heimat war:

„Ich wanderte im Juni 1933 aus und kehrte im späten Jahr 1934 aus Jerusalem nach Nonnenweier
zurück, um den Haushalt meiner verwitweten Mutter aufzulösen, das Haus zu verkaufen, sie
nach Israel mitzunehmen und den Verkaufserlös nach Jerusalem zu übertragen. Als ich auf das
Steueramt in Lahr kam, um die erforderlichen Anträge zu stellen, begrüßten mich die beiden
Steuerbeamten mit erhobener Hand und Hitlergruß und sagten mit Tränen in den Augen: ,Ihr Vater
war ein echter deutscher Mann.' "

Die Generation der Eltern der Gewährsleute war am weitesten integriert, wenn
man den Vergleich mit der Generation der Großeltern und mit der Generation
der Gewährsleute selbst unternimmt.51 Daraus wird verständlich, wie schwer
es eben dieser Generation fiel, sich aus der Verwurzelung zu lösen. Eine Gewährsperson
schildert, daß ihre Eltern, angesehene Einwohner von Nonnenweier
, noch dort zurückgeblieben waren, während sie selbst nach der Hochzeit
mit ihrem Mann zusammen an dessen Wohnsitz lebte. Erst 1939, im Anschluß
an die Ereignisse der „Kristallnacht"52, nahm das junge Paar die Eltern aus
Nonnenweier mit in die Emigration: „Wir mußten erst reif werden zum Auswandern
."

Es überschreitet den Rahmen dieser Arbeit, die Ereignisse der nationalsozialistischen
Zeit wiederzugeben.53 Von Interesse ist jedoch, aufzuzeigen, in welcher
Art die von außen kommende Propaganda gegen die Juden von den
nichtjüdischen Einwohnern aufgenommen wurde und deren eigene, aus der
persönlichen Erfahrung herrührende Sicht der Juden überlagerte:

Eine frühere jüdische Einwohnerin kam 1933 in ein christliches Geschäft, in dem sie oft eingekauft
hatte. Dort fand sie eines Tages ein Schild: „Juden werden nicht bedient."54 Als sie auf
dem Absatz kehrt machen wollte, riefen die Ladenbesitzer sie zurück: „Dich meinen wir nicht,
und Dich nebendran auch nicht . . . gemeint sind DIE JUDEN."

50 und auch in andere Länder, vor allem nach USA.

51 Utz Jeggle kommt zu dem gleichen Ergebnis. S. a.a.O., S. 286 ff.

52 In der Kristallnacht im November 1938 kamen die wenigen noch ortsansässigen Männer in
„Schutzhaft" nach Dachau. Dort verstarb am 12. Dezember 1938 der Viehhändler Julius
Baum. Vgl. F. Hundsnurscher und G. Taddey, S. 216.

53 siehe hierzu die Angaben ebd. S. 216 f.

54 Am 1. April 1933 wurde der „Judenboykott" ausgerufen.

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