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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
60. Jahresband.1980
Seite: 281
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1980/0283
C. Religiöses Leben der Juden

Vorbemerkung

Nur wenige jüdische Familien in Nonnenweier waren „fromm" im Sinne einer
strengen Beachtung aller Gesetze ihrer Religion: es waren dies vor allem die
Familie des Lehrers und Kantors Nathan Schleicher, die Familie des Kaufmanns
Hermann Moch und die Geschwister Metzger. Am wenigsten religiös
waren die Mitglieder der „liberalen" Familien, zu denen die Familie Emanuel
Baum und die Familie Max Meyer zu zählen sind.

In den meisten Familien wurde ein „traditionsgemäßes jüdisches Brauchtum"
gepflegt, so wie es einerseits von den Eltern und Großeltern überkommen war,
und wie es andererseits innerhalb der dörflichen Gemeinde üblich war. Dieses
„traditionsgemäße Judentum" besaß einen individuellen Spielraum innerhalb
gewisser Grenzen: die eine bedingt durch das, was als „sehr fromm" galt, die
andere, nicht zu unterschreitende Grenze bestimmt durch einen ungeschriebenen
, jedoch selbst von den liberalsten Mitgliedern der jüdischen Gemeinde
„formell" beachteten Kodex. Dieser wird umschrieben mit: „man hat die Gesetze
gehalten", wodurch zum Ausdruck kommt, daß gewisse religiöse Sitten
und Bräuche von allen streng beachtet wurden, andere gelockert waren, wieder
andere mehr und mehr außer Gebrauch gekommen waren.

Im folgenden wird das „traditionsgemäße jüdische Brauchtum" geschildert,
wobei darauf abgehoben wird, wie sich die „frommen" Familien einerseits
und die „liberalen" Familien andererseits abweichend davon verhielten. Auch
wird versucht, die Spannweite der Beachtung bzw. Nichtbeachtung von religiösen
Sitten und Bräuchen soweit wie möglich erklärend zu verstehen.

I. Der Alltag

Die jüdischen Männer beteten täglich und legten die Gebetsriemen an, die Te-
fillin. Sie waren im großen und ganzen nur tagsüber von zu Hause abwesend,
niemals für längere Zeit, so daß sie keine besonderen Vorkehrungen treffen
mußten, um unterwegs „die Gesetze einhalten" zu können.55 Zum Mittagessen
nahmen die Männer etwas von zu Hause mit und tranken in einer Wirtschaft
, in der sie bekannt waren, einen schwarzen Kaffee dazu.56

55 Noch zur Zeit der Großeltern der Gewährsleute, also Mitte des 19. Jahrhunderts, war dies
der Fall. Es gab noch keine für die Allgemeinheit erschwinglichen Fahrzeuge. Die Händler
waren zum Teil mit Handkarren oder Rückentragen tagelang zu Fuß unterwegs, um ihre
Kunden zu besuchen. Ihre Route konnte bis hinauf in den Schwarzwald, zu den abgelegenen
Bauernhöfen, führen. Übernachtet wurde bei befreundeten christlichen Familien, welche
die Gewohnheiten des Gastes kannten, ihm besonderes Geschirr und einen Raum zur Verfügung
stellten, wo er beten konnte.

56 Entsprechend dem Gebot, „milchige" und „fleischige" Speisen zu trennen. Vgl. zu den jüdischen
Speisegesetzen den Abschnitt „Dietary Laws", in: Encyclopedia Judaica, Vol. 6,
Kater Publishing House, Jerusalem 1971, S. 26—45

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