Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
60. Jahresband.1980
Seite: 296
(PDF, 71 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1980/0298
So fanden mehrere Eheschließungen statt, bei denen durch Vermittlung der eine Partner von auswärts
nach Nonnenweier kam, und umgekehrt Nonnenweierer nach auswärts heirateten. „Das
kommt auch heute noch vor," meint eine Gewährsperson, „daß Ehen vermittelt werden, auch bei
Nichtjuden, und gibt nicht die schlechtesten Ehen." Gegen die Auffassung, die Töchter würden
„verschachert", verwehrt man sich.94

Insgesamt wurden etwa die Hälfte der jungen Leute, die am Ort keinen geeigneten
Partner fanden, durch Schadehen vermittelt.

In einer wohlhabenden Familie versuchte man, den Töchtern Gelegenheit zu
geben, außerhalb des dörflichen Horizontes „etwas vom allgemeinen Leben
zu erfahren": „In meiner Mädchenzeit weilte ich häufig bei Verwandten in
Frankfurt und Zürich. Ich besuchte die Tanzschule in Frankfurt." Hierbei ergab
sich auch die Gelegenheit, einen passenden Ehepartner zu finden: die Gewährsperson
lernte ihren zukünftigen Mann auf einer Gesellschaft bei ihren
Verwandten in Frankfurt kennen.

Im Laufe der Zeit begann jedoch die Einflußnahme der Eltern an Gewicht zu
verlieren: Die jungen Leute, welche auswärts studierten und in die Stadt zogen
, sprengten den elterlichen und dörflichen Rahmen und fanden ihre Ehepartner
eher in ihrem neuen Lebenskreis.

In ihrem Bestreben, als religiöse und ethnische Minderheit fortzubestehen,
konnte die jüdische Dorfgemeinde Eheschließungen mit Nichtjuden nicht dulden
. Auch noch im 20. Jahrhundert schieden Nichtjuden als Ehepartner aus,
und zwar sowohl in Nonnenweier selbst als auch bei Eheschließungen mit
einem Partner aus einer anderen Landgemeinde.

Jugendfreundschaften zwischen Juden und Christen führten daher in keinem
Fall zu einer Eheschließung. Seinen Eltern zuliebe konnte man keinen christlichen
Partner heiraten. Von Seiten der protestantischen Dorfbewohner wäre
einer Eheschließung mit einem jüdischen Partner anscheinend nichts im Wege
gestanden:

Eine Gewährsperson berichtet, daß ein befreundetes junges Mädchen aus Nonnenweier ihn eines
Tages gefragt habe, welchen Glaubens er sei. Als er antwortete, er sei Jude, war sie sehr erleichtert
darüber, daß er „kein Katholik" sei, ihre Eltern würden sie totschlagen, wenn sie einen katholischen
Partner würde heiraten wollen. Der jüdische junge Mann gab ihr darauf hin zu verstehen,
daß er „seinen Eltern zuliebe nie ein christliches Mädchen heiraten" könnte.

Die dominierende Gruppe hatte offenbar keine Hemmungen, durch Heirat
Mitglieder der religiösen Minderheit zu absorbieren. Dagegen waren bei den
Protestanten die Katholiken Erzfeinde und schieden als Ehepartner aus, zum
Teil unter schlimmsten Sanktionen.

94 Die Ehevermittlung wird von den jüdischen Gewährspersonen zum Teil als heikles Thema
betrachtet, anscheinend aufgrund der Einstellung der christlichen Umwelt, welche dabei
vordergründig den „Kaufpreis" als wesentliches Merkmal sieht.

296


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1980/0298