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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
60. Jahresband.1980
Seite: 301
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II. Religiöses Judentum und sozialer Zusammenhang

Die materielle und soziale Existenz der Landjuden war von jeher prekär. Die
Juden lebten im Dorf als überschaubare Gruppe und wurden von der Umwelt
als Mitglieder dieser durch stereotypisierte Merkmale gekennzeichneten Gruppe
beurteilt und in Frage gestellt.

Im Zusammenhang damit wirft Emil Schorsch die Frage auf, wie die Landjuden
ihre persönliche Würde aufrechterhalten konnten, trotz der oft feindseligen
Absichten ihrer Umwelt und der wechselnden Regierungen.96 Schorsch
nennt die den Landjuden eigene Frömmigkeit als bestimmend für deren Identität
, er bezeichnet sie als eine „einfache, tiefsitzende" Frömmigkeit und eine
dem Gefühl entspringende „Ehrfurcht und Liebe zu Gott".97 Aus dieser, in
der Tradition verankerten, emotional-religiösen Einstellung, die in den Städten
nicht in der gleichen Art zu finden ist, bezog der Jude im Dorf seine Stärke
und Widerstandsfähigkeit gegen die Anfeindungen von außen.98

Religiöses Judentum ist jedoch nicht nur eine Angelegenheit der Individuen.
Fortbestand des jüdischen Volkes ist eine vordringliche Mizwah.100 Um als
Gruppe in ihrem Jüdischsein fortbestehen zu können, mußten die Landjuden
nicht nur ihr persönliches Sein, sondern auch ihr soziales Sein tief in der Religion
verankern. In der Religiosität der Landjuden war dieses Schaffen von sozialem
Zusammenhang stark und greifbar ausgeprägt und zwar in zweifacher
Hinsicht: einerseits mit den Juden im alten Israel, also mit der Tradition des
eigenen Volkes, andererseits mit den Juden in der Dorfgemeinde.

Beim Feiern der historischen und bäuerlichen Feste,101 in der Symbolik der
rituellen Handlungen, die durch Tradition überliefert wurden, stellte sich der
Zusammenhang mit den eigenen Ursprüngen immer wieder erneut her.

Den Kern des sozialen Zusammenhangs in der jüdischen Gemeinde Nonnenweier
bildete die unter einem Dach lebende, patriarchalische Drei-
Generationen-Familie mit anverwandten Ledigen. Die jüdische Familie war
darauf ausgerichtet, ihren Angehörigen „Geborgenheit und liebevolle Fürsorge
"102 zu geben. Innerhalb der Familie, vor allem während der häuslichen Feiern
, konnte der von der Umwelt angefeindete Dorfjude seine religiös bedingte
jüdische Identität wahren und entfalten.

96 vgl. a.a.O., S. 131

97 vgl. ebd., S. 132

98 vgl. ebd.

100 vgl. Werner J. Cahnman, a.a.O. S. 123

101 Das religiöse Judentum hatte sich als Religion eines Bauernvolkes herausgebildet. Viele Feste
im Jahreszyklus hängen mit dem landwirtschaftlichen Jahresrhythmus des alten Israel
zusammen. Gleichzeitig erinnern sie auch an die Geschichte des jüdischen Volkes.

102 Emil Schorsch, a.a.O., S. 132.

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