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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
60. Jahresband.1980
Seite: 362
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1980/0364
Herrschaft Geroldseck Anfang Oktober 1809
das Hospiz förmlich in Besitz, und im September
1813 erklärte der Fürst von der Leyen die
Ordensniederlassung in aller Form für aufgehoben
und konfisziert. Nach der von Hermann
Schmid geschilderten Säkularisation des
Franziskaner-Hospizes nahm 1815 eine Textil-
manufaktur im ehemaligen Kloster ihre Produktion
auf, die für Seelbach einen bedeutenden
Wirtschaftsfaktor darstellte, beschäftigte
doch die Baumwoll-Manufactur 1823 130 Erwachsene
und 114 Kinder unter 14 Jahren. Das
Lohngefälle sank deutlich von der Färberei,
die keine Kinder beschäftigte, über die Weberei
mit rd. einem Drittel Kindern zur Spinnerei
mit einem Kinderanteil von rd. 60 %. Der Fabrikbetrieb
endete 1834.

Erich Krämer zeigt die wirtschaftliche Entwicklung
Seelbachs von den ersten Versuchen
zur Industrieansiedlung bis zum heutigen
Stand auf. Im 18. Jh. unterstützten die Herren
von der Leyen neben der Förderung des Bergbaues
, dem er einen besonderen Beitrag widmet
, die Gründung von Manufakturen oder
Fabriken, darunter auch der Fayencerie im
Schloß Dautenstein, wo 1786 der erste Brand
erfolgte. 1787 wurde als neuer Leiter Georg
Friedrich List aus Durlach verpflichtet, dessen
größte Leistung wohl das Aushandeln eines für
ihn sehr günstigen Vertrages mit dem Inhaber
Krieg gewesen sein soll. Wegen Unfähigkeit
und Verschwendung sei dieser Geschäftsführer
im März 1788 entlassen worden. Hierzu seien
einige notwendige Bemerkungen zur Richtigstellung
gestattet. List war Teilhaber der Firma
, die als „List u. Comp." firmierte, und
konnte deshalb auch nicht entlassen werden.
Er erhielt ein jährliches Gehalt von 500 fl. samt
freier Wohnung nebst freiem Holz etc., war
aber keineswegs überbezahlt, erhielt doch beispielsweise
die Masse der Bediensteten der
Herrschaft v. d. Leyen täglich 2 fl., während
das obere Drittel täglich 3 fl. und mehr bezog.
Vielleicht genügt aber der Hinweis, daß der
Hofrat und Archivar Klein für ein paar Stunden
der Rechnungsprüfung und Aktenrevision
der Witwen- und Waisenkasse sage und schreibe
1455 fl. Salarium kassierte (Ludwig Eid,
Reichsgräfin Marianne von der Layen geb. von
Dalberg, 1937). List war der technische Direktor
, und Krieg war für die Finanzierung zuständig
. Das Werk litt keinesfalls an Fachleuten,
und die üble Nachrede gegen List stammt vorwiegend
von dem mißgünstigen Konkurrenten
G. L. Müller aus Durlach. List hatte das dortige
Werk verlassen, um nach Mosbach überzusiedeln
. Sie geht aber auch auf Krieg zurück,
der nach List den Streit begann, als der Beutel
leer war. List war vorher Leiter der Fayence-
Fabrik in Mosbach, und der von Krämer als

Quelle genannte Gutmann schreibt über Lists
Leistung: „Die Güte und Schönheit der
List'schen Waren wurden nicht nur von der
Kurpfälzischen Regierung und dem Kurfürsten
selbst rückhaltslos anerkannt, sondern auch
den vorzüglichen Produkten gleichgestellt . . .
Aufgrund der noch vorhandenen Erzeugnisse
darf gesagt werden, daß die Mosbacher Fabrik
unter List in künstlerischer Hinsicht ihren
höchsten Stand erreichte, der auch eine Reihe
von Jahren nach seiner Entweichung
vorhielt". List war weder Unfähigkeit noch
Verschwendung nachzuweisen. Das Unternehmen
, dem auch nach dem Zeugnis des Kanzleidirektors
Döring Krieg nicht gewachsen war,
zumal er schon bei Übernahme des Unternehmens
stark verschuldet war, ging wohl allein
wegen der mangelnden Kapitalausstattung ein,
wie ja auch der Textilmanufaktur in Seelbach
zum Verhängnis wurde, „daß es damals in Baden
ein leistungsfähiges Bankenwesen nicht
gab" (H. Schmid, S. 273). Die Herrschaft gewährte
zwar Krieg jede Unterstützung, doch
nur im Rahmen der Möglichkeiten des Oberamtes
Seelbach. Mit einem kräftigen Zuschuß
der Herrschaft konnte das Werk saniert und
seiner Startschwierigkeiten enthoben werden.
Aber sie war selbst total verschuldet. Krieg bat
1788 um 4000 fl., die wahrscheinlich nicht ausgereicht
hätten, aber im gleichen Jahr fand die
Hochzeit Philipps von der Leyen statt, deren
Kosten mit rd. 100.000 fl. veranschlagt wurden
. Am 3. 4. 1789 schrieb Krieg an die „Madame
la Comtesse", man habe die Proben gesehen
, die den Erfolg des Werkes sicherten, die
Händler, beladen mit Waren; es bedürfe nur
noch der täglichen Kosten, um den Betrieb
fortzusetzen und die Früchte zu ernten. Aber
in dem Augenblick, wo der Erfolg gesichert
war, habe er um Hilfe zu bitten gewagt, die jede
Regierung sich beeilen würde zu gewähren,
selbst ohne die Gewißheit, die er heute besitze.
Man könnte noch hinzufügen, daß der Schloßbau
, den der kaum siebzehnjährige Sohn der
Reichsgräfin Marianne 1783, insgesamt mit Inneneinrichtung
etwa dreiviertel Millionen Gulden
verschlang.

Bemerkenswert ist nach den Ausführungen
Erich Krämers die Geschichte der 100jährigen
Zigarrenfabrikation in Seelbach. In einem weiteren
Beitrag behandelt der gleiche Autor die
Zünfte der Handwerker in der Herrschaft Geroldseck
im 17., 18. und 19. Jh. Die Geschichte
des Dorfes W i t t e 1 b a c h, „Bach des
Witilo", das heute mit Schönberg zu Seelbach
gehört, schildert Hubert Kewitz bis zum Jahre
1803. Der Ort, der im Verlauf des 14. und 15.
Jh. Eigentum des Klosters Ettenheimmünster
wurde, verblieb bis zur Säkularisation in dessen
Besitz. Die Rechte des Abtes zu Ettenheim-

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