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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
61. Jahresband.1981
Seite: 255
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ausgebrochenen Bauarbeiterstreiks, hervorgerufen durch die erhöhten
Lebensmittelpreise54, trafen mit einjähriger Verzögerung in der kurzzeitig am
Ort zusammengeballten großen Arbeiterzahl auf einen günstigen Nährboden.

Es kam zu größeren Streiks, und in der überhitzten Atmosphäre führten Auseinandersetzungen
zwischen organisierten und nicht-organisierten Arbeitern
zu heftigen Auseinandersetzungen mit Verletzten.55 Es kann angenommen
werden, daß die Mehrzahl der Unterstützten aus bei diesen Bauarbeiten eingesetzten
Tagelöhnern besteht, welche durch den Arbeitskampf vorübergehend
ihre Existenzgrundlage verlieren. Dies würde auch das nur kurzzeitige Ansteigen
der Armenzahl erklären, da nach Abflauen der Streikmaßnahmen und bei
Wiederaufnahme der Arbeit sofort wieder eine Erwerbsbasis geschaffen worden
war. Das nur geringe Ansteigen der Bedürftigenzahl wiederum erklärt sich
einerseits aus der günstigen Lage der traditionellen Industrie und andererseits
aus der Erwerbsstruktur des Ortes. Die Zahl der fest am Ort wohnenden Arbeiter
hatte sich seit den letzten großen Arbeitskämpfen der Jahre 1906 und
1907 beträchtlich verringert. Nur 17% der Erwerbstätigen zählten noch zur
Arbeiterschaft. Die Erhöhung der Armenzahl 1910 ist somit Indikator für eine
zeitlich und lokal fest begrenzte Krise auf dem Sektor der Bauindustrie (großangelegte
Infrastrukturmaßnahmen).

Der erste Weltkrieg und seine Auswirkungen

Das letzte Jahr vor dem Kriege war in Dinglingen wie auch im übrigen Land
ein Jahr höchster wirtschaftlicher Entfaltung und Aktivität gewesen. Die Un-
terstütztenzahl war auf den niedrigsten Stand seit der Jahrhundertwende gesunken
und über die Hälfte der Unterstützungen wurde aufgrund von krankheitsbedingten
Notständen gewährt. Dies alles sollte sich scheinbar ändern, als
seit dem Kriegsausbruch die Unterstütztenzahlen von Jahr zu Jahr kletterten,
bis sie 1916 um 234% über dem letzten Friedensjahr lagen. Die genauere Aufschlüsselung
der Werte ergibt, daß zunächst 50%, ab 1916 60% der Leistungen
an Familien gerichtet war, welche ihren Ernährer durch dessen Einberufung
zum Heeresdienst verloren hatten. Die Unterstützung erfolgte in der
Form von Mietzinsbeihilfen, da es den Unterstützungsbedürftigen zwar an finanziellen
Mitteln fehlte, die Ernährung mit Grundnahrungsmitteln durch die
Möglichkeit zur Selbstversorgung während des ganzen Krieges hindurch befriedigend
sichergestellt war. Dies zeigte sich auch an der Einkommensentwicklung
in der Nebenerwerbslandwirtschaft, welche während der Kriegsjahre
nur leicht rückläufig war, da Frauen und Kinder eine intensive Bodenbearbeitung
nicht mehr durchführen konnten und auch der Ersatz von Landbaumaterial
sich mit Andauer des Krieges infolge von Materialknappheit immer
schwieriger gestaltete.

54 Handelskammerbericht 1910, S. 14 f.

55 Lahrer Zeitung vom 19. 4. 1910

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