Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
62. Jahresband.1982
Seite: 64
(PDF, 76 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1982/0066
des Kanzlers; Hausenstein sei „Humanist und Katholik"113. Dem letzten, gewichtigsten
Argument konnte Hausenstein am wenigsten widersprechen: Bei
der Bedeutung der Literatur im öffentlichen und privaten Leben Frankreichs
sei ein Schriftsteller als Vertreter Deutschlands „das Richtige".114

Hausenstein ahnte, welche Schwierigkeiten ihn erwarteten, und so bat er sich
Bedenkzeit aus. Auf der Herreninsel im Chiemsee rang er sich zu einer Zusage
durch.

Aus dem Abstand von über 30 Jahren erscheinen die Verhältnisse, unter denen
Hausenstein in Paris zu arbeiten hatte, als kaum glaublich, ja geradezu als
blamabel. Was so nicht hätte zu sein brauchen: „Die Schule", also die gelernten
Diplomaten sahen den Schriftsteller nur mit Skepsis kommen, und manche
ließen ihn das auch recht unverblümt wissen.115 Die deutsche Vertretung
war in einem kleinen Haus in der Avenue d'Jena untergebracht. Nach dem
Einzug waren noch umfangreiche Renovierungsarbeiten durchzuführen. Die
Räume waren nicht beheizbar, die Möblierung war noch nicht vollständig, es
kam vor, daß Sekretärinnen die Schreibmaschine auf die Knie stellen mußten.
Als private Unterkunft dienten über eineinhalb Jahre zwei Zimmer in einem
Hotel, eines davon war Hausensteins Arbeitszimmer. Die Mitarbeiter waren
überlastet, die personelle Ausstattung mehr als kümmerlich, von der finanziellen
ganz zu schweigen. Um Gäste zum Lunch in ein Hotel einladen zu können,
mußten sich Hausenstein und seine Frau mit etwas Obst zum Abendessen begnügen
. Einer Einladung in einen exklusiven Zirkel konnte er nicht Folge leisten
, weil ihm die entsprechende Garderobe fehlte.

Die Aufgabe Hausensteins, fünf Jahre nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges
, als die Wunden noch heftig schmerzten und viele Franzosen noch
nicht bereit waren, zwischen schuldigen Deutschen und solchen, die, wie die
Familie Hausenstein, bitter unter der Hitlerdiktatur zu leiden gehabt hatten,
zu unterscheiden, war fast übermenschlich schwer.116 Nur langsam, im Rückblick
freilich immer noch überraschend schnell, gelang es Hausenstein, mit
seiner Liebenswürdigkeit, seiner Diskretion, die Atmosphäre zu wandeln, Zurückhaltung
, Hemmungen, Abneigung abzubauen. Selbst drückte er es so
aus: ,,. . . in dieser Sphäre kam es nicht darauf an, sofort etwas zu „tun",
sogleich zu „handeln", sondern darauf, zu „sein" — das heißt: in einfach
existentiellem Sinn durch persönliche Gegenwart und Glaubwürdigkeit zu
überzeugen".117

Nach Hausensteins Meinung konnte die Kunst ein Mittel zur Verständigung
zwischen Deutschen und Franzosen bedeuten. Er plante, eine Barockausstel-

113 Ebda.

114 Ebda.

115 Ebda., S. 23.

116 Pariser Erinnerungen, S. 35.

117 Ebda., S. 55.

64


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1982/0066