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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
62. Jahresband.1982
Seite: 247
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1982/0249
Serbien setzte zunächst eine aufrüttelnde Agitationswelle der Sozialdemokraten
ein. Der Aufruf des SPD-Vorstandes vom 25. Juli schien die Marschrichtung
eindeutig festzulegen: „Kein Tropfen Blut eines deutschen Soldaten darf
dem Machtkitzel der österreichischen Gewalthaber, den imperialistischen Profitinteressen
geopfert werden". Als auch Frank vom Parteivorstand zu Friedenskundgebungen
aufgefordert wurde, hielt er dies für verspätet, gab aber
seinem Drängen nach und sprach am 29. Juli zum letzten Mal zu den Mannheimer
Arbeitern. Aber die Würfel waren schon gefallen, tags zuvor war die
österreichische Kriegserklärung an Serbien erfolgt. Frank war sich dessen bewußt
, daß es sich um kein Verteidigungskrieg im engeren Sinne handelte. Daß
Serbien innerhalb einer Frist von zwei Tagen die österreichischen Behauptungen
prüfen sollte, schien ihm eine unmögliche Zumutung: ,,Es ist also kein unbilliges
Verlangen, wenn Serbien verlangt, daß Zeit gegeben wird zur Prüfung
der Angelegenheit. Österreich wollte aber den Krieg, und deshalb die kurze
Frist und die harten, Serbien demütigenden Bedingungen!"

Obwohl der Jurist Frank sich also darüber im klaren sein mußte, daß unter
diesen Umständen für das Reich keinerlei Bündnisverpflichtung vorlag und
voraussichtlich „das deutsche Volk im Namen einer gar nicht bestehenden
Vertragspflicht auf das Schlachtfeld geführt" werden sollte, erklärte er, daß
bei Kriegsausbruch die sozialdemokratischen Soldaten gewissenhaft ihre
Pflicht erfüllen würden, um dann in einem Atemzug zu versichern, daß die sozialdemokratische
Arbeiterschaft der einzige ernsthafte Kämpfer für den Frieden
sei. Ohne auch einen Gedanken daran zu verschwenden, inwieweit dieser
Friedenswille „ernsthaft" dokumentiert werden könnte, erwartete er dies von
den russischen Arbeitern. Mehr als auf die Einsicht des Zaren gründete er seine
Hoffnung „auf diese tapferen Arbeiter, die allen Kosaken zum Trotz sich
nicht abschrecken ließen, in den Streiks der letzten Wochen zu beweisen, daß
die russische Revolution lebt, daß sie unbezwingbar ihr Haupt erhebt. Wir
schicken unseren tapferen russischen Brüdern unsere bewundernden Grüße
hinüber!"

Am gleichen Tag notierte der deutsche Kaiser: „Die Sozen machen Antimilit.
Umtriebe in den Straßen, das darf nicht geduldet werden, jetzt auf keinen
Fall. Im Wiederholungsfalle werde ich Belagerungszustand proklamieren und
die Führer samt und sonders tutti quanti einsperren lassen . . . Wir können
jetzt keine Soz. Propaganda mehr dulden!"86 Immerhin war diese Drohung
noch vergleichsweise harmlos gegen jene in seinem „Sylvesterbrief" 1905, wo
er für den Fall eines Krieges schärfere Maßnahmen vorschlug: „Erst die Sozialisten
abschießen, köpfen und unschädlich machen, wenn nötig per Blutbad
, und dann Krieg nach außen, aber nicht vorher und nicht ä tempo.f'87

Doch das von der Propaganda erzeugte und genährte Gefühl, einen aufgezwungenen
Verteidigungskrieg führen zu müssen, weckte bei den Massen eine
derart begeisterte Kriegsbereitschaft, daß die sozialdemokratische Führung,
falls sie es gewollt hätte, keinen entscheidenden Widerstand hätte organisieren

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