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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
62. Jahresband.1982
Seite: 262
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ist gekommen. Es lebe die Revolution!" Georg Monsch notierte an jenem
Tag: „Das Zuchthaus hat seinen edlen Sinn gestählt." Aus Friedrichshafen,
wo tags zuvor eine Arbeiterdemonstration für den Frieden und eine deutsche
Republik stattgefunden hatte, erhielt Liebknecht am 28. ein Telegramm, in
welchem 4 000 Arbeiter ihrem Genossen ihren Gruß übermittelten. Die revolutionäre
Bewegung war nicht mehr aufzuhalten. Sie wurde genährt von der
Note des amerikanischen Präsidenten Wilson vom 23. Oktober, in welcher
dieser darauf verwies, daß nach der getroffenen Verfassungsänderung das
deutsche Volk zwar vielleicht über künftige Kriege entscheide, aber keine Mittel
habe, beim gegenwärtigen Kriege die Unterwerfung der Militärbehörde des
Reiches unter den Volkswillen zu erzwingen.

Bei Front- und Heimattruppen machte die „Zersetzung" bedenkliche Fortschritte
. Auch in der Offenburger Garnison lockerte sich die Disziplin: am 24.
Oktober zogen am hellichten Tag etwa 15 Unteroffiziere total betrunken und
krakeelend durch die Straßen. In der Garnison „spukte schon der Geist der
neuen Zeit, noch ehe die Kunde der Militärrevolution in Kiel hierhergedrungen
war". Alte Frontkämpfer rebellierten in der Öffentlichkeit gegen junge
Offiziere. Als am nächsten Tag ein jugendlicher Leutnant einen alten invaliden
Soldaten aus Offenburg bei der Eichhornapotheke anherrschte, da dieser
ihn nicht gegrüßt hatte, brauste dieser auf und berief sich darauf, daß er seit
Kriegsbeginn an der Front gestanden habe, während der junge Leutnant hier
herumstolziere. Als er diesen einen Lausejungen titulierte und der Offizier auf
ihn losging, zog der Soldat sein Seitengewehr. Das gleichfalls aufgebrachte
Publikum trennte die beiden und ließ den Soldaten unerkannt entkommen; eine
gerade vorbeimarschierende Abteilung Soldaten mit Gewehr, die auf Befehl
des Leutnants sich des rebellischen Soldaten bemächtigen sollte, nahm
davon keine Notiz und marschierte weiter. Ein ähnlicher Vorfall ereignete sich
im gleichen Monat am Bahnhof, wo ein Offizier einen Invaliden anschrie, aus
dem Wege zu gehen: „Empört faßte der Soldat seinen Stock und schlug dem
Offizier mehrmals auf den Kopf. Im Nu entstand eine förmliche Revolte.
Hoch die Revolution, hoch die Bolschewiki, hoch die Republik! erscholl es
aus den Soldatenmassen, doch ging schließlich alles ruhig vorbei". Es waren
Böen vor dem Sturm, der bereits die sich in Auflösung befindliche Donaumonarchie
erfaßt hatte: in Budapest wurde Ende Oktober die Republik ausgerufen
, in Wien für den 3. November Wahlen zum Soldatenrat in allen Kasernen
angesetzt.

Der Ausbruch der Revolution

Den zündenden Funken im Reich löste ein militärisch sinnloser, unter Umgehung der Reichsleitung
von der Seekriegsleitung unter Admiral Scheer herausgegebener Befehl aus, die Hochseestreitkräfte
zur letzten Fahrt gegen die englische Flotte auslaufen zu lassen. Dieser Befehl stieß am
27. Oktober auf den Widerstand von Mannschaften mehrerer Panzerkreuzer. Die Meuterei weitete
sich am nächsten Tag auf drei Linienschiffe aus und erfaßte schließlich am 29. große Teile der
Flotte, so daß am 30. Oktober das befohlene Auslaufen verhindert werden konnte. Das geplante

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