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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
62. Jahresband.1982
Seite: 286
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1982/0288
„Das Offenburger Maschinengewehr-Wahlmanöver"

Die von der vorl. Volksregierung am 14. November angekündigte und nach
der Verordnung vom 20. 11. 18 durchgeführte Wahl vom 5. 1. 19 zur Verfassungsgebenden
Badischen Nationalversammlung brachte Adolf Geck in
scharfe Opposition zur Regierung und zum Soldatenrat. Der Wahltag verlief
tagsüber vollkommen ruhig. Die Durchführung einer geheimen Wahl schien
allerdings dem „Alten" nicht gewährleistet: „Von allen fünf Parteien nimmt
ein Bürger die Stimmzettel entgegen, deren Unterscheidung durch Farbe und
Art des Papiers den Urnenhütern bald nicht mehr schwerfiel". Was sich dann
am Abend abspielte, erregte den Zorn im Hause Geck:

„Doch ist der Offenburger Nationalwahltag zu einem bösartigen Abschluß gekommen. Zur
Abenddämmerung traf eine Schutzmann-Meldung bei den Wahlbehörden ein: die Wahllokale
werden vom Militär dienstlich besetzt, weil die Absicht besteht, durch Putschversuche die Wahlhandlung
zu stören. In der Tat war die in Zell-Weierbach liegende Maschinengewehrabteilung zur
Bereitschaft aufgeboten bis nachts 10 Uhr. Ein Teil ihrer gefährlichen Schußwaffen wurde nach
Offenburg verbracht und vor den Wahllokalen aufgestellt. Das Mädchenschulhaus mit seinen beiden
Abstimmungszimmern ist um 6 Uhr zur armierten Festung umgewandelt worden. Aus der
Hauptpforte an der Wilhelmstraße schaute die abscheuliche Kanone nach der Eisenbahnbrücke,
um die in Kisten bereitgehaltenen eisernen Bohnen auf den Feind auszustreuen. Eine zweite
Mordwaffe stand beim östlichen Ausgang. Die Mündung war gegen das Wahllokal VII gerichtet.
Schußbereite Posten standen überall vor den Wahlstätten, um die Urnen vor dem Umsturz zu behüten
. Das Postgebäude war schon tagsüber unter Bewachung gestellt. In den letzten Stunden der
Wahlhandlung und zur Feststellung des Wahlresultats war durch diese brutale Bedrohung der republikanischen
Freiheit die Öffentlichkeit der Handlung sehr beeinträchtigt. Verhängt wurde dieser
Belagerungszustand auf Grund eines Telegrammes: .Karlsruhe, 4. Januar'. Anzeichen vorhanden
, daß während der Wahl Störungen versucht werden. Regierung hat mit unserem Einverständnis
Sicherung der Postämter durch Volkswehr oder Soldaten angeordnet. Bezirksamt trifft
die nötigen Maßnahmen. Landeszentrale: gez. Emil Maier

Dem Offenburger Soldatenrat gebührt der Ruhm, solchen Unfug für unsere Stadt bereitet zu haben
, ihren so friedlich wie niemals verlaufenen Wahltag durch eine schmachvolle und durch die
Herausforderung gefährliche Maßnahme mit einem Schreckensabend enden zu lassen. Im Nu verbreitete
sich die Kunde durch die Stadt. Es ist in der Republik Baden eine derartige Blamage nirgends
zu verzeichnen: Die Wahlfreiheit unter der Tyrannei des Maschinengewehres und der
Muskete!"

Zu der Wahl waren die Unabhängigen im 2. Wahlkreis (Freiburg) mit Adolf
Geck als Spitzenkandidat angetreten. Unter den 30 Bewerbern befanden sich
weitere 9 Offenburger. In Baden errang die USP mit 14 450 Stimmen (1,5%)
kein Mandat, doch hatte Geck die Genugtuung, daß die Partei in Offenburg
im Vergleich mit anderen Städten gegenüber den Mehrheitssozialisten am besten
abschnitt. Sie erhielt 434 (5%), die MSPD 2 099 Stimmen (25%). In einzelnen
Orten des Amtsbezirkes Offenburg war das Verhältnis noch wesentlich
besser, so in Zell-Weierbach, Durbach, Zell a.H., Zunsweier; in Weier hatte
die USP mit 40 gegen 26 Stimmen der MSPD die Nase vorn.
Nach einem Beschluß der USP Offenburg wurde die Wahl angefochten: „Es
wird durch die beantragte Untersuchung festgestellt werden, daß jene brutale
Bedrohung der Einwohnerschaft von keiner zivilen Sicherheitsbehörde, weder
der staatlichen noch der städtischen, veranlaßt worden ist", schrieb der „Al-

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