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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1983/0369
der Nachkriegszeit hat diese winzige Bühne der
Weltliteratur vermocht, die zerstrittenen und
ermatteten Geister Europas an einem gemeinsamen
Ort zusammenzuführen und erwiesen,
daß das Menschliche in eines Dichters Leben
und Wort die Menschen bewegt. Die verschiedensten
Besuchergruppen läßt der Autor zu
Wort kommen aus Kunst, Kirche, Politik und
Presse, Hausfrauen und Schulkinder. Namen
fallen: Alfred Toepfer aus Hamburg, Pierre
Pflimlin, damals noch Minister (der frei aus
Faust II zitierte), Friedrich Bentmann und
Kurt Ganss, die die Goethe-Gesellschaft vertraten
.

Einiges findet sich hier über die erste Goethe-
Sammlung im Ochsen, über die Restaurierung
der alten Goethe-Scheune, über die kirchliche
Ausstattung von Kirche und Pfarrhaus, über
die Entstehung des Goethe-Memorials. Pfarrer
Wild erzählt von manchen wichtigen und nachhaltigen
Begegnungen, von dem Goethe-Kollo-
qium 1957 in Straßburg, in dem wohl auch die
Idee der Gedenkstätte geboren wurde, die Minister
Andre Malraux dann unterstützte. Elsäs-
sische „Pfarrhüstradition" und alemannisches
Beharrungsvermögen spiegeln sich in dieser
Epoche.

Einen kleinen Beitrag zur Goethe-Interpretation
liefern die Überlegungen zur Geschichte
vom Taufkuchen aus Drusenheim. Wo in den
Erinnerungen dieses Dorf genannt wird, würde
der Autor aus Kenntnis der Landschaft lieber
„Dengolsheim" setzen, doch hält ihn die Vorsicht
ab, sogleich „Hier irrt Goethe" zu rufen.
Umgekehrt, wo es heißt, Goethe habe die
Tischrunde in seinem Sommerquartier am
„Fischmarkt" vorgefunden, da hätte der
Dichter wohl „Knoblochgasse" (rue de l'Ail)
als Adresse der Jungfern Lauth genannt —
hätte er sie noch gewußt. Nach der kurzen Einleitung
Raymond Matzens, der den Autor vorstellt
und in einem Dorfrundgang die sichtbaren
Zeugnisse jener Jahre nennt, findet der Leser
ein wertvolles und eindrucksvolles Zeit- und
Literaturdokument über das elsässische protestantische
Pfarrhaus, über das Nachleben der
Goethe-Tradition im Elsaß, über ihre ungebrochene
weite Ausstrahlung und über den Wandel
im Geist beider Nachbarvölker, der sich an
dieser Begegnungsstätte zur Zeit Pfarrer Wilds
manifestierte. Das Buch bildet ein Gegenstück
zu den früher erschienenen Auszügen aus dem
Gästebuch des Gasthofs zum Ochsen (Kl. Peter
Schulz, Berlin 1965) mit den Äußerungen und
Kommentaren französischer und deutscher Besucher
, die unter anderem Blickwinkel ein
ebenso wichtiges Zeitdokument darstellen.

C. H. Steckner

Manfred Sestendrup, Vom Dichter gewollt
. Grimmelshausens Barock-Simpli-
zissimus und seine 20 Textillustrationen.

Edition Stolz, Freiburg, 1982. 80 S., illustriert.

Manfred Sestendrup versucht in seinem Werk
nachzuweisen, daß die 20 Textillustrationen
zum Barock-Simplizissimus auf Grimmelshausen
selbst zurückgehen. Dabei läßt der Autor
die Frage offen, „inwieweit Grimmelshausen
für die fertigen Illustrationen oder nur deren
Vorlage verantwortlich gemacht werden kann,
oder ob die Illustrationen gar nur nach seinen
Entwürfen und Anregungen entworfen wurden
".

Der Verfasser führt mehrere Argumente auf,
die dafür sprechen, daß Grimmelshausen sein
eigener Illustrator war. So beweist er, daß
Grimmelshausen zeichnerisch begabt war, was
vor allem die erhaltenen Federzeichnungen von
der Burg Hohengeroldseck und von den Befestigungen
der Stadt Offenburg belegen. Ein
weiteres Argument ist die Anonymität der Illustrationen
. Sestendrups Hauptargument aber
ist die von ihm ausführlich dargelegte „innige
Bild-Text-Beziehung, die zustandezubringen
wohl keinem anderen als dem Autor möglich
gewesen wäre".

Dazu muß man wissen, daß die in typisch barocker
Manier emblemartig konzipierte Abbildungen
dreiteilig aufgebaut sind. Im Mittelpunkt
steht die Pictura, die eigentliche Illustration
. Sie ist unterschrieben von der Subscrip-
tio, einem Zweizeiler, der das im Bild Dargestellte
auszulegen hat. Als drittes Element
kommt die Inscriptio hinzu, ein Motto, das im
Fall der Simplizissimus-Illustrationen „Der
wahn betreügt" lautet.

Zum Schluß seines Buches schildert Sestendrup
noch kurz die Entstehungsgeschichte des
Barock-Simplizissimus. Er verdankt seine Existenz
einem unrechtmäßigen Nachdruck des
Simplizissimus-Teutsch durch Müller, dem
sog. Schulmeister-Simplizissimus. Um sich gegen
diese unliebsame Konkurrenz zur Wehr zu
setzen, brachte Felßecker im Herbst 1671 den
Barock-Simplizissimus heraus, was darauf
schließen läßt, daß die darin enthaltenen Illustrationen
vor allem die Aufgabe hatten, den
buchhändlerischen Erfolg dieser Neuausgabe
zu sichern. Daß Felßecker richtig spekuliert
hatte, beweist die Tatsache, daß bereits nach
kurzer Zeit ein Neudruck notwendig wurde,
der allerdings hinter Grimmelshausens Rücken
vorgenommen wurde, um ihn nicht am Erlös
beteiligen zu müssen.

Götz Bubenhofer

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