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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1984/0390
um Raum für eine einheitliche Lösung zu gewinnen. Das neue Schloß, das
schon 1840 von der Berckholtz-Familie bezogen wurde, ist in seiner Mischung
von baugeschichtlichem Historismus und romantisierender Feudalimitation
ein in unserer Landschaft einmaliges Zeugnis der Geistes- und Sozialgeschichte
des 19. Jahrhunderts geworden. Von der Familie Berckholtz wurde Schloß
Ortenberg 1872 an Baron Gustave de Bussierre verkauft, von dessen Familie
es 1889 Baron von Hirsch kaufte, dessen Nachkommen es 1942 an das Deutsche
Jugendherbergswerk veräußerten. Von Berckholtz, dem russischen Paßinhaber
und Handelsherrn aus Riga, kam das Schloß also über den franzö-
sisch-elsässischen Baron und Teilhaber der Offenburger Spinn- und Weberei
Bussierre an den aus einer Würzburger Judenfamilie zum Hofbankier mainfränkischer
Fürsten und des bayerischen Königs aufgestiegenen Baron Hirsch,
dessen Herz mehr an der Pariser Wohnung als an Ortenberg hing. Alle drei
Familien waren durch Heereslieferungen und Kriegsgewinne in den napoleonischen
Kriegen oder durch risikoreiche Handelsgeschäfte — man sprach sogar
von Sklavenhandel — und durch moderne Industriebeteiligungen zeitweise
sehr reich geworden und ließen nun auch die Ortenberger durch Schaffung
von Arbeitsplätzen, großzügige alljährliche Almosenverteilungen an die Ortsarmen
zu Weihnachten und durch besondere Stiftungen daran etwas teilhaben
. Insgesamt ist der Versuch dieser Traditionsbildungen durch Erwerb des
Schlosses Ortenberg aber mißlungen, die psychologische Kluft zwischen den
Dorfbewohnern und den nur für die Sommermonate anreisenden „Herrschaften
" blieb unüberbrückt — mit Ausnahme der Maria Eleonora Diana von
Hirsch, die mit Ortenberg durch Erinnerungen an eine glückliche Jugend und
eine hier 1897 glanzvoll gefeierte Hochzeit mit dem bayerischen Freiherrn von
Brand zu Neidstein verbunden blieb. Auf dem Ortenberger Bühlwegfriedhof
erinnern noch die Familiengruften Berckholtz und Bussierre an diese mit dem
1. Weltkrieg und der nachfolgenden Inflation zu Ende gegangenen Epoche.

Sagen:

Mit der Eigenschaft einer Amtsburg mag es zusammenhängen, daß sich in der
Bevölkerung keine Sagen erhalten haben; die literarische Sage von der „Pilgerin
" mit dem Motiv der glücklichen Heimkehr eines in der Welt abenteuernden
und sich bewährenden Burg-Jungherrn (vgl. F. Vollmer, Burg Ortenberg
. . . S. 66) scheint ein junges, romantisches Kunstprodukt des 19. Jahrhunderts
zu sein. Auf reale geschichtliche Tatsachen dagegen dürften die sagenhaften
Traditionen von dem schauerlichen Verlies im „Schimmel"-Turm zurückgehen
.

Die Erzählungen von dem unterirdischen Gang, der den Burgbewohnern als
Fluchtweg — oder gar als Verbindungsweg zur Burg Hohengeroldseck — gedient
habe, müssen hingegen ins Reich der romantisierenden Phantasie verwiesen
werden.

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