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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1985/0207
nem Erstaunen wird ihm mit Silberbesteck aufgetischt, man überläßt dem gutgekleideten
Gast für die Nacht das behaglichste Schlafzimmer. Im Nachhinein
meint Nerval dazu: „Sicher hielten mich die Leute für einen Prinzen, der nach
dem Muster komischer Opern sich später zu erkennen geben, seine Schärpe
vorzeigen und alle mit Wohltaten überhäufen würde ..." Was Wunder, daß
die gepfefferte Rechnung am nächsten Morgen zwei Gulden beträgt. Da gab's
nur eines: der Hausknecht erhielt die verbliebenen 20 Kreuzer als Trinkgeld
und trabte zu Fuß neben Gerard her bis hinein nach Baden-Baden. Dort
streckte Sonnenwirt Stambach die fremde Logierschuld vor. Zufrieden trottete
der Bote mit den klingenden Gulden in der Tasche heimwärts. Noch erleichterter
atmete der Dichter auf, als acht Tage später sein Geld — diesmal in
barer Münze — eintraf4.

Unterdessen hat Gerard die Zeit genutzt, um den Badeort von allen Seiten in
Augenschein zu nehmen. Bei Orchester klängen vor dem Kurhaus sitzend empfindet
er das Oostal als künstliche Szene: „Diese Bäume sind nur ausgeschnitten
, diese Häuser nur gemalt, diese Berge sind auf Gestelle aufgespannte riesige
Gemälde, an denen die Einwohner herabsteigen ..." Lebensechter dünkt
den Beobachter der Ball am Samstagabend im Salon des Kurhauses, wo er die
weißen Schultern der Russinnen, Deutschen und Engländerinnen mit Wohlgefallen
betrachtet. Keine Stadt Europas, so urteilt er, sei günstiger gelegen als
Baden-Baden für eine derartige Präsentation europäischer Schönheiten.
„Was soll ich noch von diesem Ball erzählen, sind es doch glückliche Gegenden
, wo man sommers tanzt, während durchs geöffnete Fenster ein duftender
Windhauch fächelt, draußen Mondschein den Rasen erhellt und ferne Hügelhänge
bläulich einfärbt; wo man von Zeit zu Zeit in dunklen Alleen Luft
schöpfen kann und auf Wandelgängen und Baikonen festlich gekleidete Frauen
sieht"5.

Natürlich sucht Nerval die Spielbank auf, die soeben von dem erfolgreichen
Pächter Benazet übernommen worden war6. Der Besucher vermerkt, daß die
Croupiers ihre Ansagen in französischer Sprache machen: „Le jeu est fait,
messieurs, rien ne va plus!" Um drei Spieltische schart sich die Menge der
Spieler, allen voran der Großherzog von Hessen. Angeblich setzt er jeden Tag
an die 12 000 Gulden, verliert alles oder gewinnt das Vierfache. „Eine Art Lakai
folgt ihm überall hin, und wenn er den Spieltisch wechselt, bleibt der hinter
ihm stehen, um die Nachbarn zu beobachten. Wer zu nahe tritt, bekommt von
diesem Bediensteten Ermahnungen zu hören wie: Mein Herr, Sie behelligen
den Fürsten! Mein Herr, Ihr Schatten fällt auf das Spiel des Fürsten! Der
Fürst aber läßt sich nicht ablenken, er sieht niemanden, er kennt niemanden.
Man könnte ihn hinterrücks anstoßen — er würde keine Miene verziehen. Nur
der Lakai würde in gleich eisigem Tone sagen: Ihr Fuß hat den Fürsten berührt
; nehmen Sie sich in acht, mein Herr"7.

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