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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1985/0220
Diese Verfassungsgrundsätze setzten jedoch voraus, daß Deutschland sich als
Nationalstaat konstituiere. Deshalb fordert das Acherner Programm als
Schritte zur nationalen Einheit die Abschaffung der Unterschiede auf dem Gebiet
des Rechts, des Maß- und Münzwesens sowie im Bereich der Bahn und
Post (Nr. 13). Die wichtigste Maßnahme bestehe jedoch darin, die politische
Zerrissenheit Deutschlands aufzuheben und die innere Einheit Deutschlands
auch in geistiger und materieller Hinsicht herzustellen (Nr. 14, Nr. 13).

Der politische Standort des Acherner Programms ist durch die einzelnen Programmpunkte
klar und deutlich umrissen. Es enthält sehr weitgehende politische
, wirtschaftliche und soziale Forderungen, die aus damaliger Sicht als
radikal-demokratisch bezeichnet werden müssen. Ihre Umsetzung in die Praxis
hätte eine völlige Neuordnung Deutschlands zur Folge gehabt. Nirgendwo
erkennt man Kompromißbereitschaft bzw. das Bemühen, den Vertretern der
„alten Ordnung" in irgendeiner Weise entgegenzukommen. Am radikalsten
sind wohl die Forderungen anzusehen, die sich auf die Staats- und Regierungsform
sowie auf die Wirtschaftsstruktur beziehen: Die Monarchen und Fürsten
sollen politisch total entmachtet werden, und der Wirtschaftsliberalismus darf
in seiner bisherigen Form bzw. ohne staatliches Korrektiv nicht weiter praktiziert
werden, da er nicht in der Lage ist, für den Ausgleich von Kapital und
Arbeit zu sorgen und die Not der arbeitenden Klassen zu beseitigen. Kompromißlos
wird überdies das Problem der Einheit Deutschlands angegangen,
denn eine Lösung dieser Aufgabe ist für die Verfechter des Acherner Programms
nur auf der Grundlage der „Freiheit" möglich, die sowohl verfassungspolitisch
als auch sozialpolitisch verstanden wird.

Es verwundert folglich nicht, daß die großherzoglich-badische Regierung in
Karlsruhe über die Acherner Volksversammlung so sehr beunruhigt war, daß
sie dem Bezirksamt Achern und schließlich sogar dem Hofgericht in Bruchsal
den Befehl erteilte, gegen die Personen, die auf dieser Versammlung „aufrührerische
Reden" hielten, gesetzliche Maßnahmen zu ergreifen.13 Die Gefahr,
die vom Acherner Programm ausging, erkannte die großherzogliche Regierung
ebenfalls, denn als am 23. und 24. April 1848 die beiden Acherner Bürger
, der Buchdrucker Carl Quintenz und der Schmied Ignaz Conrad, einige
Exemplare dieses Programms unter der Bevölkerung verteilten, wurden sie
„des Hochverrats durch die Presse für schuldig erklärt"14.

Aber nicht nur die großherzogliche Regierung widersetzte sich den Zielsetzungen
der radikalen Republikaner, die auf der Acherner Volksversammlung das
Sagen hatten und dort mit Beifall bedacht wurden, sondern auch die gemäßigten
Liberalen distanzierten sich von dieser Gruppierung. Das Zerbrechen der
revolutionären Aktionsgemeinschaft zwischen Radikalen und Gemäßigten im
Frühjahr 1848 war die entscheidende Voraussetzung dafür, daß Hecker und
Struve, die Führer der Radikalen, die parlamentarische Szenerie in Frankfurt

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