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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1985/0234
Ortenauer Bezirk die Demokratie bei den Kaiserlichen im nationalliberalen
Lager. In jener großen Versammlung zu Offenburg (Dreikönigsaal), worin
sich der Kandidat Hörth vorstellte, hatte er in einem großen Teil seiner sachlichen
Programm-Rede nur mit der Zurückweisung persönlicher Verdächtigungen
seitens nationaler Agitatoren zu tun26."

Zu den persönlichen Angriffen kamen die politischen Verleumdungen: „Herr
Rechtsanwalt Daniel Bumiller als nationalliberaler Wahlredner sagte in einer
Wahlversammlung im Hanauerland bei der Reichstagswahl 1881 nach seiner
eigenen Erklärung im .Ortenauer Boten': ,Wenn die Demokraten siegen, holen
sie die Guillotine und schlagen anderen Leuten die Köpfe ab27."

Daß aber unter all diesen Widrigkeiten Hörths Humor nicht litt, beweist die
köstliche Schilderung seiner Erfahrungen und Erlebnisse im Wahlkampf, die
er unter dem Pseudonym „Johannes Holdermann" im Feuilleton der „Frankfurter
Zeitung" veröffentlichte und die schon Adolf Geck für überlieferungswürdig
hielt:28

Aus der Mappe eines durchgefallenen Reichstagskandidaten

„Es geschieht mir eigentlich recht. Wie bei der Wahl seiner Eltern, so muß man auch
vorsichtig sein bei der Wahl seiner Wahlkreise ... Ich hätte mir einen Wahlkreis aussuchen
sollen, dessen Bevölkerung meinen Ansichten etwas mehr Sympathie entgegengebracht
hätte. Freilich, das wäre eine schwierige Sache gewesen. . .

Genug; ich kam an den unrechten Wahlkreis. Ich glaube, Diejenigen, die meine Wähler
werden sollten, und ich, wir haben einander gar nicht oder nicht recht verstanden. Das
politische Feld, das ich zuerst zu bearbeiten suchte, war ihnen so gut wie unbekannt.
Sie kannten nur Kraut-, Kartoffel- und Kornfelder. Das Wort Legislaturperiode hatten
sie in ihrem Leben noch nicht gehört, Etat und Budgetrecht waren ihnen spanische
Dörfer, und so sehr ich mich auch bemühte, ihnen die Begriffe klar zu machen, so
glotzten sie mich doch nach wie vor so an, daß ich es ihnen ansah, sie hatten mich doch
nicht verstanden. Diese Politik war also nicht der Boden, auf welchem Lorbeeren —
das heißt in diesem Falle Stimmen — zu gewinnen waren. Ich versuchte es daher mit der
Volkswirtschaft, der Finanz- und Steuerpolitik. . .

Daß die neuen Zölle auf Lebensmittel und die indirekten Steuern die übergroße Mehrheit
der Bevölkerung schwer belasten, dafür ist der Beweis ziffermäßig, zahlensicher,
schwarz auf weiß zu erbringen. Aber da kam ich schön an! Die Bauern meines Wahlkreises
waren taub für das Anpochen der politischen Reaktion, aber für die moderne
Zoll- und Steuerpolitik, die jedem einzelnen Interessenten auf Kosten der Gesamtheit
einen Vorteil verspricht, haben sie ein feines Ohr gehabt. Jeder Reichsbürger kriegt seinen
Spezialzoll ab; warum nicht auch wir Bauern? Und da bis jetzt nicht viel für uns
herausgekommen ist, so folgt daraus eben nur, daß die Zölle zu niedrig sind, und daß
man die Zahl der zollpflichtigen Gegenstände bedeutend vermehren muß. Das ist die
Logik der Bauern.

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